Richard Thompson – Sweet Warrior

Seelen-Scharmützel und Gitarren-Hinterhalte vom alten Krieger

In der Liebe und im Krieg ist alles erlaubt – und für Richard Thompson ist es ohnehin ein und dasselbe. Die Scharmützel und Schlachten, die er seit den Tagen mit seiner Ehefrau Linda ausficht, haben tiefe Wunden geschlagen und einige der bittersten und schwärzesten Platten überhaupt hervorgebracht: „Shoot Out The Lights“, „Mirror Blue“, „Rumor And Sigh“und „You? Me? Us?“ sind gallige Abrechnungen mit den Liebsten; Floretthiebe, die der Brite seit vielen Jahren von Kalifornien aus führt, vom unwahrscheinlichsten Platz der Welt also.

Mit „Sweet Wdrrior“ kehrt Thompson nach milderen Song-Sammlungen „1000 Tears Of Popular Music“, „Front Parlour Ballads“, „The Old Kit Bag“ auf den Kriegsschauplatz zurück. Michael Hays und Michael Jerome unterstützen ihn an der Gitarre und am Schlagzeug, den akustischen Bass bedient wieder einmal Danny Thompson; Saxofon und Fiddle kommen im zweiten Teil des Albums hinzu. Die typischen Arten von Thompson-Songs sind hier versammelt: zum einen der Lebensratschlag („Take Care The Road You Choose“, „Too Late To Come Fishing“) nach böser Erfahrung; zum anderen die ätzende („Mr. Stupid“) oder elegische („She Sang Angels To Rest“) Erzählung.

In „Dad’s Gonna Kill Me“ macht er den wahren Mörder des Soldaten in den eigenen Reihen aus: „You hit the booby trap and you’re in pieces/ With every bullet your risk increases/ Old Ali Baba, he’s a different species/ Nobody loves me here/ I’m dead meat in my Humvee Frankenstein.“ In seinem einzigartig verschlungenen und sprechenden Gitarrenspiel und im Surren von Sara Watkins‘ Fiddle schwingt sich das Stück zu einem bedrohlichen, klaustrophobischen Drama auf, Ali Baba lauert hinter der Straßensperre. „Friendly fire“ war schon lange vor dem Irak-Gemetzel ein Begriff, der in Thompsons Texten die Abwesenheit einer Demarkationslinie signalisierte.

Reue, Verlust und Betrug ziehen sich auch durch diese Lieder des Kriegers, den die Bilder und die Worte verfolgen wie in „Poppy Red“, wenn die Frau sich ein letztes Mal umdreht und in den Regen geht. „She was my first, she was my last/ She was my friend – until the end.“ Thompson zählt zu den wenigen Künstlern, die mit dem Spruch von der Identität des Politischen und des Privaten Ernst machen: Im Seitensprung, in Untreue, Scheidung, im Furor des Sexuellen und der Pein der Kontemplation (nach der Konsumption) erkennt er die Saat für größere Greuel. In der langen, dunklen Nacht der Seele sieht Thompson die Abgründe des Menschlichen – und in der Decouvrierung von Schuld, Treulosigkeit und Schwäche ist er ein unerbittlicher Richter, dem noch die Alimentenzahlung ein Skandalon ist. Verletzungen vergehen bei diesem Gedächtniselefanten nicht, taugen aber immer wieder zum bösen Spott. „Sweet Warrior“ ist eine sehr lange, sehr schmerzliche und sehr brillante Platte von einem Meister der flinken Gitarre und der linken Zunge-auch ein Rock-Album übrigens. Obacht: Richard Thompson nähert sich hier als Samariter, aber er macht niemals Gefangene.

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