Richard Thompson – Walking On A Wire

Eine konventionelle Werkschau des genialen englischen Gitarristen und Songschreibers Richard Thompson

Dass er sich locker so gut wie der Kollege Dylan in der Geschichte des populären Liedgut vergangener Jahrhunderte auskennt, demonstrierte Richard Thompson vor drei Jahren mit den sehr gut ausgewählten Songs des DVD/CD-Sets „7000 Years Of Populär Music“. Der älteste Song wird dort auf das Jahr 1260 datiert. Den jüngsten (Britney Spears'“Oops!… I Did It Again“) spielte er über die vergangenen Jahre auch immer gern mal in Konzerten, zu hören in der 2006 vorgelegten monumentalen Box „RT: The Life And Music Of Richard Thompson“. Das war, vornehmlich aus Archivmaterial und vor allem Live-Aufnahmen zusammengestellt, mit fünf CDs schon die zweite größere Werkschau, die sein Schaffen nach keinerlei erkennbarem Ordnungsprinzip im Überblick präsentierte. Die erste hatte 1993 Edward Haber mit „Watching The Dark“ vorgelegt.

Jetzt soll es also dieses neue Set richten, fast sechs Dutzend die vier CDs füllende Aufnahmen, vom Meister persönlich handverlesen, dabei chronologisch geordnet und sehr ausführlich in den Liner Notes Leben und Werk kommentiert. Am Ende gibt es sogar eine Kostprobe aus dem Soundtrack des Werner-Herzog-Films „Grizzly Man“ und eine Cover-Version des Who-Songs „A Legal Matter“. Man gestattete sich keine editorischen Schlampereien, wenn man mal von dem Ärgernis absieht, dass gleich zu Beginn Emmitt Rhodes‘ „Time Will Show The Wiser“ vom Fairport Convention-Debüt in einem obskuren Mono-Mix auftaucht, obwohl das doch immer schon und nicht zuletzt auf dem Remaster von 2003 in ganz fabelhaft überspieltem Stereo vorliegt. Denn das Team Joe Boyd/John Wood hatte immer schon Wert auf großen und für die Zeit Maßstände setzenden Wohlklang bei ihren Aufnahmen gelegt.

Die Fairport Convention-Jahre werden mit fünf Aufnahmen von fünf LPs abgehakt, weil noch weitere knapp vier Jahrzehnte Schaffen zu dokumentieren waren und Thompson womöglich und zurecht davon ausging, dass „Unhalfbricking“ und „Liege & Lief“ ohnehin in jeder besseren Plattensammlung vorhanden sein sollten. Immerhin gibt es von „Full House“ das epische „Sloth“, bei dem er schon die ganze Meisterschaft an der elektrisch verstärkten Gitarre mehr als nur ein wenig andeutete. Das weitere Schaffen solo und mit Ehefrau Linda – nennen wir sie mal die Hungerjahre – bis hin zum Meisterwerk „Shoot Out The Lights“ wollte er mit zwei Dutzend Aufnahmen doch sehr ausführlich gewürdigt wissen.

Die LPs ab 1982 werden nach einem extrem gestrengen Best-Of-Prinzip präsentiert, bei dem letztlich wohl auch Preis und Vermarktbarkeit des Sets die Lücken diktierten. Praktisch nichts findet man hier von den Mitschnitten, die er über das Netz anbietet, von „Celtschmerz“ eine einzige Kostprobe. Aber als eine die Jahrzehnte durchmess ende Einführung in sein Werk ist das Set alles andere als übel.

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