Robert Rodriguez: From Dusk Till Dawn
ab 4. Juli Morgengrauen, sieben Uhr. Die KiUer Jules (Samuel L Jackson) und Vincent 0ohn Travolta) fahren zu einem Mordauftrag, plaudern jedoch über Cheeseburger, Pilotfilme und Fußmassagen. In einem Apartment überraschen sie drei Junggauner beim Frühstück. Jules bittet den verängstigten Anführer höflich, dessen Cheeseburger probieren zu dürfen: „Ich liebe den Geschmack eines guten Burgers.“ Danach zücken sie ihre Pistolen – und schießen auf den Jungen, bis die Magazine leer sind. Nach einem an ferrat gescheiterten Überfall hat der Killer Mr. Blue (Michael Madsen) einen Cop in eine Lagerhalle verschleppt. Seine Komplizen wollen aus ihm Informationen herausprügeln. Blue will nichts wissen: „Es ist mir egal, was du sagst. Es macht Spaß, dich zu töten.“ Er stellt ein Radio an und tanzt zu 70er-Jahre-Songs. Schneidet ihm das rechte Ohr ab. Übergießt ihn mit Benzin. Als er das Feuerzeug entzündet, zerfetzen neun Kugeln seine Brust. Der Killer Azul (Reinol Martinez) betritt eine Bar in einem Grenzkaff von Mexiko. Er trägt einen Gitarrenkoffer. Die Gäste sehen müde auf, der Wirt ist genervt: „Ein Kollege von dir war bereits hier. Ich brauche keinen Mariachi.“ Azul stellt den Koffer ab, entnimmt eine Maschinenpistole und durchsiebt die Männer. Die Killer-Brüder Richard (Quenrin Tarantino) und Seth (George Cloony) sind nach einem Massaker bei einem Bankraub auf der Flucht nach Mexiko. Mit einer ängstlichen Angestellten als Geisel steigen sie in einem Motel ab. Seth telefoniert mit ihrem Kontaktmann. Als er zurückkehrt, ist die Frau vergewaltigt worden und tot Seth zürnt mit seinem kleinen Bruder. Richard ist beleidigt und zeigt eine Bißwunde: „Sie hat mich angegriffen und wollte fliehen. Da mußte ich sie umlegen.“ LEINWAND Neu im KinoVier Szenen, zwei Regisseure, ein Sujet: JPulp Fiction“ (1994) und „Reservoir Dogs“ (1992) von Tarantino, „El Mariachi“ (1993) und, ,From Dusk Till Dawn“ (1996) von Robert Rodriguez. Brüder im Geiste, die wie Desperados über Hollywood herfielen. Sie schössen wild um sich mit Kinozitaten, Kalauern und Kugeln – und trafen den Zeitgeist. JPulp Fiction“ kostete neun Millionen Dollar und verdiente nur in Amerika mehr als 100 Millionen, eine im Filmgeschäft mystische Ziffer. Er erhielt die Goldene Palme von Cannes und den Oscar für das beste Original-Drehbuch. Rodriguez durfte immerhin für sieben Millionen Dollar „Desperado“ abdrehen, ein Remake seines nur 7000 Dollar teuren Debüts „El Mariachi“. Sein Splatter-Serienküler-Streifen „From Dusk Till Dawn“, der den Gangsterund Grusel-Genres gezielt den guten Geschmack austreibt, lief auf der Berlinale. Vom Budget wollte Produzent Lawrence Bender da nicht mehr reden. Die Schmuddelfilmer sind gesellschaftsfähig geworden. Vor ihnen gab es Tobe Hooper, Wes Craven, Sam Raimi, Roger Corman, John Carpenter, John McNaughton, Russ Meyer. Von Hollywood lange ignorierte B-Movie-Besessene, Talente und Trash-Filmer, Quereinsteiger und Querköpfe, Visionäre und Verrückte. Hooper drehte für 350 000 Dollar das „Texas Chainsaw Massacre“. Raimi erbettelte sich die Summe für sein Debüt „Tanz der Teufel“ bei Anwälten. Mc-Naughton sollte für den Videomarkt einen Horrorstreifen realisieren. Sein ,,Henry – Portrait Of A Serial Killer“ war den Geldgebern zu wenig blutig – die Zensur jedoch war verstört von der finsteren Phantasie seines unplakativen Psychogramms und empfahl, statt eines Schnittes den ganzen Film zu zerschneiden. Eiferern, die Rodriguez auf der Berlinale-Pressekonferenz zur Gewalt in seinen Filmen befragten, zu den Kopfschüssen, den brennenden Körpern und dem Lakonismus der Killer, antwortete er: „Aber es ist doch nicht echt, es sind nur Bilder!“ Rodriguez ist eine typische coach potato dieser Generation, so wie Tarantino ein cineastischer Cobain und vieles plötzlich pM^ö ist Sie sind Freaks wie ihre Figuren, Kinder des Kinos mit weichen Gesichtszügen und Unschuldsgesten, die ihre Vorbilder Godard und Melvüle (Tarantino), Füller, Peckinpah und Woo (Rodriguez) verinnerlicht haben und die Bilder in ihren Köpfen verfilmen, woraus Männerfilme entstehen. Die beiden Fanatiker mußten sich finden wie siamesische Zwillinge, die nach der Geburt getrennt wurden. Tarantino gibt den infantilen Psychopathen, als der er in seinen Filmen oder in Gastrollen bei Kollegen mit zynischen Zoten glänzt Rodriguez ist der Bengel fürs Grobe und Gemetzel, dem der Lehrsatz von Sergio Leone nahe geht: „In meinen Western sterben die Helden wunderschön im Vordergrund.“ Und „From Dusk Till Dawn“ ist ihr Zwitter. Die Story ist simpel: Um über die Grenze zu kommen, kidnappen die Brüder Seth und Richard Gecko ein Wohnmobil mit einem Pater (Harvey Keitel) und seinen Kindern (Ernest Lui und Juliette Lewis). Drüben fahren sie zu dem Bikerund Trucker-Bordell Titty Twister, das von der Dämmerung bis zum Morgengrauen geöffnet hat, um hier auf einen Kumpel zu warten. Ein Türsteher (dieEx-Kiffer-KnaUtüte Cheech Martin) lockt die Kerle mit „weißer Pussy, brauner Pussy und Mexican Pussy; wir haben riechende, nasse, heiße und kalte Pussy und Hühner-Pussy“. Pünktlich um Mitternacht verwandeln sich die Schlangentänzerin (Salma Hayek) und ihre Mädchen in Vampire. Die Ketchup-Schlacht mit Weihwasserpistole und Kreuz-Pumpgun dauert an bis zum Morgengrauen. Das Grauen ist hier ein Gag, und der Film ein Fragment aus Spielarten und Skizzen, die unbekümmert mit grellen, grotesken Spezialeffekten keine Schamgrenze zwischen Spaß und Sadismus ziehen. Wie bei adventure games wechselt beim Grenzübertritt der Geckos das Genre von Tarantino auf Rodriguez. Letzterer zappt vom Klassiker „The Night Of The Living Dead“ bis zu Peter Jacksons „Braindead“. Sein Exploitation-Jux ist Pop kultur wie Retro-Rock, Hommage und Persiflage zugleich. Splatter-Slapstick mit Stil, aber ohne Seele. So ist Tarantinos letztes Drehbuch verfilmt Mehr ist ihm nicht eingefallen. Noch nicht Oliver Hüttmann