ROOTS :: VON JÖRG FEYER

Grammy-Ehren und Platin-Platten: Ein Nashville im Umsatztal ärgert sich vermutlich gewaltig, daß der Durchmarsch von ALISON KRAUSS & UNION STATION ohne eine pekuniäre Beteiligung der lokalen Plattenindustrie stattfand. Auch das neue Album „So Lang So Wrong“ (Rounder/in-akustik) wird wieder vom renommierten Ostküsten-Indie veröffentlicht. Krauss‘ mal strahlender, mal gedämpfter Sopran ist wieder die halbe Miete, doch stellt sie den gern in den Dienst einer vorzüglich besetzten Mannschaft, die bei dieser Musik ja immer der Star sein sollte und in Dan Tyminski noch einen fähigen Vbkalisten aufbieten kann. Das reife, dichte Ensemble-Spiel produziert ein klassisches Bluegrass-Feeling mit Pop-Appeal, aber ohne Integritäts-Einbuße. 4,0

Bluegrass ist im Repertoire von KIM RICHEV „nur“ ein gut plaziertes Spurenelement – wie Sam Bushs Mandoline im wundervollen „I’m Alright“. Auch auf ihrem zweiten Album Ritter Sweet“ (Mercury/PMS) gibt die große Blonde mit dem üppigen Tantiemenkonto (Trisha Yearwood schwatzte ihr „Believe Me Baby (I Lied)“ ab) ein brillantes Rollenmodell für die Singer/Songwriterin, die sich in Nashville in jeder Hinsicht gegen allzu rigide Schablonen behauptet. Mit zwölf durchweg erlesenen, mustergültig produzierten und hinreißend interpretierten Songs im Spannungsfeld Country-Pop-Folk spielt Richey endgültig in der Shawn-Colvin-Liga. Ein Album zum Verlieben – nicht nur für Liebhaber von „großen“ Frauen. 4,5

Ein Album-Konzept wie „Cab Driver’s Blues“ (siehe RS1/96) kann man vermutlich nur einmal umsetzen, soll die Idee der bluesenden Fahrgastzelle nicht zum bloßen runninggag verkommen. Mit seinem „2nd Blues Album“ (Rykodisc/Rough Trade) zieht MEM SHANNON rechtzeitig die Notbremse. Dabei kultiviert der Blues des Mannes aus New Orleans ein ähnliches Verständnis, wie es Curtis Mayfield für die Soul-Welt postulierte: politisch ohne Peinlichkeiten, poetisch ohne Posen. Und: wieder ziemlich funky! 3,5

Der Blues als „menschliches“ Korrektiv in einer ach so kalten Computerwelt? Nun, CHARLIE MUSSELWHITE sollte vielleicht doch lieber einfach weiter Platten machen, statt sich in „philosophische“ Exkurse zu versteigen. Platten wie seinen Pointblank-Einstand „Rough News“ (Virgin): Zwischen urbanem Chicago-Feeling und lässigem Laid-Back-Sound, Swing, Swamp und Straight („Drifting Boy“, mit Los Lobos-Gitarrist Cesar Rosas) zieht Musselwhite nicht nur in seiner ihm angestammten Rolle als Harp-Virtuose die relevanten Register. Als exotischer Ausreißer geht sogar noch der „Brasil-Blues „Feel It In Your Heart“ durch. 3,5

Nach vier mal mehr, mal weniger gelungenen Studio-Alben sagen THE SUBDUDES mit dem 18-Song-Konzerttnitschnitt „Live At Last“ (High Street/ARIS) zum Abschied nicht ganz so leise „Servus“: Dem Schlagzeug- (aber nicht schlagwerk-)losen Roots-Rock des hier von Gitarrist Willie Williams unterstützten Quartetts aus New Orleans darf man durchaus die eine oder andere Träne nachweinen. 3,0

Ahnlich wie die Trash-Rednecks Confederate Railroad dürfen THE KENTUCKY HEADHUNTERS in Nashville das Rock’n’Roll-Alibi mimen – und dabei sogar die heiligen Studio-Hallen von „Music City U.S.A.“ hinter sich lassen. Diesen Heimvorteil konnte das Quintett für „Stompin’Grounds“ (ARIS) aber kaum nutzen: biederer Humor, biederer Country-Rock mit bemühtem Southern Flair. Immerhin wissen wir jetzt: Booklet-füllende Credits gibt’s nicht nur in der R&B/Soul-Welt. 2,0

Dann schon lieber CLÄY WAL-KER und „Rumour Has It“ (Giant/ARIS): klar, nur ein Mann aus dem großen Hat-Act-Handbuch mit Nashville-Konfektion. Aber die Stimme hat was. Und nun endlich der erste Country-Song, der mit dem Wort „Kindergarten“ anfängt! 2,5

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