Roots von Jörg Feyer

Wenn die richtigen Leute zusammenarbeiten, statt sich gegenseitig ins Handwerk zu pfuschen, bringt sogar die Achse Texas – Tennessee mehr als nur passable Resultate hervor. So können die ROBISON-Brüder BRUCE und CHARLIE die lokale Expertise von Produzent Lloyd Maines (Joe Ely) nebst Austin-Sessionprominenz (u.a. Rich Brotherton, David Grissom, Bruce-Gattin Kelly Willis) nutzen, werden aber via Nashville vermarktet.

Dabei darf Charlie gleich mit einem neuen Werk an den Start gehen. Was durchaus nicht selbstverständlich ist, schließlich schreibt der Mann dem prallen Leben abgeschaute Songs, in denen so Worte wie „gay“, „pot“ und „lust“ vorkommen! Freilich hat er es nicht nötig, auf shock value zu setzen, denn das „Life Of The Party“ (SMIS) muß mit sarkastischen Love-Songs (etwa „Sunset Boulevard“, „Don’t Call Me A Fool“, „You’re Not The Best“) und ebenso präzisem wie kräftig ausholendem Storytelling („Loving County“, „Indianola“) sogar south-by-southwest kaum irgendeine Konkurrenz fürchten. 4,0

Von den drei neuen Tracks auf dem renovierten „Wrapped“ (SMIS) von Bruder Bruce macht das Folk-Country-Juwel „Rayne, Louisiana“ den stärksten Eindruck. Wer auf Erkenntnisse über das Deutschen-Bild der Amis aus ist, wird mit der meisterlichen Familien-Geschichte „My Brother And Me“ gut bedient. 3,5

Ebenfalls neu aufgelegt: Das famose WHISKEYTOWN-Debüt „Faithless Street“ (Outpost/Universal). Die Anschaffung auch für Eingeweihte rechtfertigen nicht weniger als neun Bonustracks, darunter frühe Versionen späterer „Strangers Almanac“-Klassiker wie „Excuse Me While I Break…“ und „16 Days“. Novizen beißen derweil einen hübschen Happen No Depression-Gründungsmythologie: „I started this damn Country band cause punk rock is too hard to sing“, barmt Ryan Adams im Titelsong. Und ich dachte immer, es wäre genau umgekehrt, das mit dem Singen? 4,0

Aus der Reihe „Der Apfel fällt nicht weit…“ begeistert uns derzeit BARE JR. mit „Boo-Tay“ (SMIS). Mit kompositorischer Finesse, melodischem Knowhow und einem bis zum Anschlag ausgespielten Power-Sound vermißt das Quintett um Bobby, denjüngeren, das Terrain zwischen Cow-Punk und Folk-Rock noch einmal unerwartet frech und frisch. Adoleszenz-Adrenalin wird reichlich vergossen, doch auch die Nöte des Alters sind hier mit dem furiosen Talking Country „Soggy Daisy“ in besten Händen; „Patty McBride“ ist eine gleißende Hymne für den gefallenen Country-Star (Wynonna?). Nicht verwunderlich, daß Veteranen ihre Aufwartung machen: „I Hate Myself“ verzeichnet Shel Silverstein als Co-Autor, und bei „Love-Less“ ist dann auch Bobby, der Ältere, im Background zu hören. 4,0

Nein, TERRI CLARK wird nie eine Kim Richey werden, auch wenn die Brünette in weiß inzwischen Songs der androgynen Blonden passabel zu covern weiß „I’m Alright“). Gleichwohl behauptet sie, die schon Warren Zevon unverhoffte Nashville-Tantiemen bescherte („Poor, Poor cury) im oberen Mainstream-Segment Wieviel sie kann, wenn sie können dürfte, zeigt das bluesige „Not Getting Over You“ aus (ganz) eigener Feder. Doch leider muß auch so manches Stück Music Row-Konfektion verdaut werden. 3,0

Nicht mehr als Retro-Konfektion sind auch viele Blues-Alben – auch deshalb, weil das Genre zuletzt nicht eben viele Songwriter hervorgebracht hat, die es mit, sagen wir: Willie Dixon oder wenigstens dem frühen Robert Cray aufnehmen könnten. Rick Estrin, Sänger und Harpist bei LITTLE CHARLIE & THE NIGHTCATS, zählt weiterhin zu den Ausnahmen. Auf „Shadow Of The Blues“ (Alligator/Edel Contraire), näher an den Chicago-Roots als andere Alben des auch inJumpVJive geschulten Vfcstcoast-Quartetts, knüpfen Estrin-Originals wie „New Old Lady“ und der Titelsong nahtlos an Vorgänger („My Next Ex-Wife“) an. Dazu spielt Litde Charlie Baty immer noch eine der coolsten und geschmackvollsten Blues-Gitarren der 90er Jahre. 4,0

ROOTS-HIGHLIGHTS DER LETZTEN ZEIT CHARLIE ROBISON: „Life Of The Party“

JOHNNY ADAMS: „Man Of My Word“

BAREJR: „Boo-Tay“

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