roots :: VON JÖRG FEYER

Mary Gauthier – Filth & Fire (MUNICH)

Wäre Nashville ein anderes Nashville, sie würden wohl Schlange stehen bei Mary Gauthier, um sich für Songs wie „Long Way To Fall“ und „After You’re Gone“ das Recht auf den ersten Cut zu sichern. Doch so stark die Songschreiberin aus Louisiana aufTrad-Country-Terrain auch ist, so wenig lässt sie sich davon einengen. So finden in einer konzentrierten Produktion von Gurt“ Morlix (Lucinda Williams) auch mal ein treibender Off-Beat, die klingelnden Steel-Drums und eine Slide-Gitarre zusammen („On The Ledge“), „Sun Fades The Color“ ist pure Folk-Poesie, zum Bluegrass tendiert „Goodbye“. Nicht nur hier steht ihre eigene Vagabundinnen-Existenz Pate. Doch Gauthier bleibt selten in bloß autobiografischer Koketterie hängen, findet meist den Weg zu existenzieller Allgemeinverbindlichkeit. Und ihr großes Herz am rechten Reck legt sie nicht nur auf den Lotterbetten des „Camelot Motel“ und in „For Rose“ bloß. Sehr gelungen. 4,0

Cary Hudson – The Phoenix (Glitterhouse)

Die Asche zum Albumtitel? Eine langjährige Gefährtin (Laurie Stirrat), die erst privat und dann auch beruflich ade sagte. Das war’s dann für Blue Mountain, aber nicht für Cary Hudson, der einfach mit der letzten Trio-Band-Besetzung unter eigenem Namen weitermacht. Womit? Klar: im besten Sinne unprätentiöse Roots-Musik, die Frust und Stagnation in Trotz, Energie und Sentiment verwandelt. Man höre nur das sich knurrend überschlagende „Bend With The Wind“ mit Piano-Gast Robert Chafee, bevor „Lovin‘ Touch“ (mit Pedal-Steel-Einlage) und die bezaubernde Melodie eines „Butterfly“ willkommene Kontrapunkte setzen. Das einzige Cover, eine dröhnende Boogie-Lesung von „God Don’t Never Change“ (Blind Willie Johnson), suggeriert dabei nicht zufällig eine kleine Blues-Schlagseite, zumal im letzten Drittel des Albums. Doch da unten in Mississippi wächst vieles zusammen, was zusammengehört. Und beim knackigen SlideAuftakt „High Heel Sneakers“ verdrücken selbst gestandene Little Feat-Jünger heimlich eine kleine Träne. 3,5

Tanya Savory – Where We Live (PHILO/ROUNDER)

Die Symptome sind klar: keine Melodien mehr, die mitzusingen lohnt, kein „grit“ und kein „twang“, aber gleich drei Autoren für blasierte Nichtigkeiten. Die Diagnose ist eindeutig. „I don’t know Nashville anymore“, besingt Tanya Savory ihre Wahlheimat als „blue boom town“. Dieser ebenso abgeklärte wie leicht wehmütige Blick dominiert auch andere Stücke der Songwriterin aus Michigan, die später auch in South Carolina und San Francisco lebte. Behänd hantiert Savory mit Elementen aus Folk, Bluegrass und Country, verdichtet Veränderung und Verlust in prägnanten Melodien, die auch die eher biedere Produktion überstrahlen. Songs wie „Losing Me“ und „County Fair“ sollten Fans der Nanci Griffith aufmerksame Ohren wert sein. 3,0

CHARLIE MUSSELWHITE – One Night In America (TELARC/IN-AKUSTIK)

Ein Gefühl sei der Blues, keine theoretische Musik-Struktur. Dieses Credo führte Charlie Musselwhite zuletzt sogar Richtung Kuba und jetzt mit „One Night In America“ in seine Jugend im Memphis der 40er und 50er Jahre. Da hat Johnny Cash („Big River“) ebenso seinen Platz wie Jimmy Reed („Ain’t That Lovin‘ You Baby“). Überraschende Country-Gäste wie Kelly Willis und Marty Stuart verwischen die Genre-Grenzen in „Trail Of Tears“, „Cold Grey Light Of Dawn“ und „In A Town This Size“ (der Kieran-Kane-Song) weiter, „One Time One Night“ hingegen will man auch künftig lieber im Original (Los Lobos) hören. Und über das (richtige) Gefühl der Harp-Ikone für den „richtigen“ Blues wird niemand diskutieren wollen. 3,5

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