Rudy Ray Moore – Hully Gully Fever
Die wildesten und wüstesten Heuler des Rock’n’Roll der Vergessenheit zu entreißen und ihnen eine neue Heimstatt zu bieten, das ist vornehmstes Anliegen von Billy Miller und Miriam Linna, den Betreibern von Norton Records in Brooklyn. Esquerita, Rudy Grayzell, Jack Starr, Andre Williams, die Liste ist lang. Von Hasil Adkins ganz zu schweigen. Nun ist ihnen mit der ersten Album-Kollektion von Rudy Ray Moore erneut eine Ausgrabung geglückt, die nicht nur Rhythm & Blues-Archäologen entzücken wird.
Hully Gully war nicht so lasziv und sexy wie der Twist, aber akrobatischer und schwärzer. Und noch kurzlebiger. Weshalb der Titel dieser Werkschau ein wenig irreführend ist. Tatsächlich finden sich unter den 31 Tracks der Doppel-LP (28 nur auf der digitalen Ausgabe) nicht allzu viele Hully-Gullytaugliche Cuts. Die meisten den Fifties und frühen Sixties entstammenden Aufnahmen sind Blues-verhaftet oder Soul-hitzig. Willie Dixons „Don’t Go No Farther“ wird durch eine wunderbar quecksilbrige E-Gitarre veredelt, eine hymnische Live-Version von Sam Cookes „Bring It On Home To Me“ mündet in eine eher unkomische Comedy-Einlage und dann in Fats Dominos „I’m In Love Again“.
Bizarr. Die extensiven Linernotes von Mr. Moore, eigentlich mehr ein autobiografischer Essay, erklären dies und mehr. Warum man ihn den „Harlem Hillbilly“ nannte und „The Turban-Headed Prince Of The Blues“. Was er von Pat Boone hält (nichts) und von Elvis (wenig). Weshalb er Louis Jordan zum Erfinder des Rock’n’Roll stilisiert. Welches verbalen Unflats Wynonie Harns in Anwesenheit von Ladies fähig war. Oder wie er selbst Anfang der 50er Jahre in der Berliner Resi-Bar auftrat und was an deutschem Liedgut dabei zu Bruch ging.
In der Rille läuft dazu der akustische Anschauungsunterricht ab, samt Show-Ansagen und diversen Radio-Spots. Ein Entree in die West-Coast-R&B-Szene der formativen Jahre, in Wort und Bild (das Gatefold-Cover allein ist den Preis schon wert). Und in Musik, die ihre Einflüsse nicht verleugnet, von Billy Ward bis Little Richard. Und die ihrerseits inspirierte. Rapper wie Snoop Dogg und 2 Live Crew singen das Hohelied auf Rudy Ray Moore. Gehört alles zusammen, richtig verstanden.