Sharon Stoned – Sample & Hold :: Columbia / Sony Music
Montagmorgen, kurz vor Sonnenaufgang, ein Club irgendwo nahe dem Hamburger Kiez. Auf der kleinen Bühne hat eine deutsche Band ihre überdimensionalen Verstärker aufgetürmt, davor kauern besoffen ein paar Gäste. Harte Auftrittsbedingungen, zumal die Anlage zickt.
Die Musiker nehmen es gelassen. Wie nebenbei perlen sich unter Piepen und Poltern songartige Gebilde aus den Boxen, seltsam zerrissen und doch dem Imperativ „Melodie!“ folgend.
Was soll so ein Szenario am Anfang einer Plattenbesprechung? Ganz einfach: Die Band auf der Bühne heißt Sharon Stoned, hat mit „Sample & Hold“ ein zweites großartiges Album veröffentlicht, und der Auftritt stellt einen zentralen Aspekt ihrer Arbeitsweise heraus. Für Christopher Uhe und Mark Kowarsch – Köpfe des westfälischen Unternehmens und vor vielen Jahren unter dem Namen Speed Niggs aktiv – gibt es nicht die eine optimale Situation, unter der ein Song sich entfaltet. Im Gegenteil, der Song wird der Situation unterstellt. Als unverbindlicher (wenn auch routinierter) Entwurf, der je nach Bedingung in unterschiedliche Richtungen ausformuliert werden kann. Anders gesagt: Der Song lernt mit jeder Interpretation erneut das Laufen. Weshalb es nur schlüssig ist, daß es vom Titelstück zwei ganz unterschiedliche Versionen gibt.
Eine Technik, deren Voraussetzung personelle und geographische Offenheit ist. „Sample & Hold“ wurde in drei verschiedenen Studios aufgenommen, knapp zwei Dutzend Gastmusiker hinterließen ihre Duftmarken. Dabei: Tom Liwa von den Flowerpornoes, Tocotronics Dirk von Lowtzow und der holländische Low-Fi-Kauz Joost Visser. Erstaunlich, wie sich dieser vielköpfige Moloch in Bewegung setzt. Am Anfang mit „Page“ ganz wörtlich durch eine druckvolle Baßlinie. Es folgt „Sample & Hold“, das mit Noise-Stakkati an Sonic Youth erinnert, bald darauf das melodramatisch sich aufschwingende „Unfair“ und „Conflict Of Interest“, dessen hübsche Piano-Linie an den Psycho-Beat von Exit Out gemahnt (in deren Tradition übrigens das unangestrengte Englisch von Christopher Uhe steht). Am Ende noch einmal 20 Minuten „Sample & Hold“.
Die Songs von Sharon Stoned sind nicht frei von Klischees, zuweilen sind sie unverschämt nah an Sonic Ybuth dran (oder an Ed Kuepper oder an Buffalo Springfield). Brillant jedoch, wie hier bekannte Details in ganz neue dynamische Albläufen gebettet werden, wie, um beim Titel zu bleiben, gesampelt und festgehalten wird und schließlich rekontextualisiert. Schockt voll, hält wach.