Short cuts

Norma Waterson – Bright Shiny Morning (Topic)

Begab sich Britanniens beste Interpretin mit ihren letzten beiden Alben auf das ungewohnte Terrain des Nachkriegs-Songs und coverte zeitgenössische Komponisten wie Elvis Costello oder The Grateful Dead, so kehrt sie mit „Bright Shiny Morning“ zurück in den ewig fruchtbaren Schoß des Traditional Folk. Ihre wahre Berufung. Beherrschendes Thema der meisten Song-Geschichten ist Liebe und die sich daraus ergebenden, nicht selten schrecklichen Konsequenzen. Norma Waterson nimmt sich dieser Jahrhunderte alten und qua mündlicher Überlieferung modifizierten Schicksals-Chroniken und Moritaten mit einer ruhigen, versammelten Präsenz an, beschwört, ohne je zu exakteren. Besonders eindringlich gerieten die unbegleiteten Songs, „Game Of All Fours“ und „Green Grows The Laurel“, wiewohl auch an der instrumentalen Begleitung nichts auszusetzen ist: Das Blaser-Arrangement des Titelsongs, Martin Greens Akkordeon, Mary Mc-Masters E-Harfe. Ganz zu schweigen von den Beiträgen der Verwandtschaft: Gatte Martin Carthy brilliert an der Gitarre, Tochter Eliza fiedelt und hat, Respekt, produziert. 4,0

Eliza Carthy – Angels & Cigarettes (WEA)

Währenddessen sie ihren Major-Label-Einstand mit einer LP gibt, die im Kern Pop ist, auf eine durchaus verwegene, versessene, versaute Art. Man höre „The Company Of Men“ und wundere sich: „I’ve given blow-jobs on couches to men who didn’t want me anymore“, klagt die vorgestern noch unschuldige Eliza mit verruchtem Unterton, und das dramatische Arrangement von Van Dyke Parks reflektiert die Pein, holt sie aus der privaten Hölle und stellt sie auf eine Weill’sche Theaterbühne. Kaum weniger inspiriert ist Eliza Carthys leicht sinistre Version von Paul Wellers „Wild Wood“, im Original nicht gerade mehrdeutig. Anderswo ist leider eher Flaute, es schaukelt karibisch oder marschiert elektronisch. Mutig, aber zwiespältig. 3,0

The Seldom Scene – Scene It All (Sugar Hill)

Die beste, weil inventivste Bluegrass-Band der 70er Jahre. Virtuos, eklektisch, progressiv. Vom Line-up dieser stilbildenden Formation ist freilich nur Banjo-Picker Ben Eldridge übriggeblieben. Die anderen Meister-Musiker erfreuen sich des Ruhestands. Oder sind verstorben wie John Duffey, dem dieses Album gewidmet ist. Weitaus bester Track ist das von Bill Monroe und Hank Williams co-komponierte „Blue And Lonesome“, während Adaptionen von Times aus der Feder von Chuck Berry und Bruce Springsteen leider einen Tick zu safe angelegt sind. 3,5

The Waco Brothers – Electric Waco Chair (Blue Rose/Zomba)

Nähme man die geistige Verfasstheit ihrer Mitglieder zum Maßstab, müsste diese Band eigentlich Wacko Brothers heißen. Insbesondere an Jon Langford, Gitarrist und Sänger (und nebenbei bildender Künstler) scheiden sich die US-Geister. Ein Brite, der in Chicago die Fäden zieht und den Amerikanern Americana andreht. „Electric Waco Chair“ ist der erwartete Post-Mekons-Country-Verschnitt, stets sarkastisch, oft frivol. Punky Tonk, anyone? Der beste Song ist denn auch die einzige Fremdkomposition: „When I Get My Rewards“ von dem Nashviller Vorzeige-Briten (und Emmylous Ex) Paul Kennerley, hier grob verswingt und herrlich verfiedelt. 3,0

The Raymen – Hollywood Hell (SPV)

Das deutsche Gegenstück zu den Wacos, Trash-getriebener noch und weitaus referentieller, sind The Raymen. Auf „Hollywood Hell“ zelebrieren sie 13 Elvis-Songs aus den Soundtracks zu dessen Celluloid-Fließbandprodukten. Darunter so verkannte Klassiker wie „Animal Instinct“ oder „Lonesome Cowboy“. Oder das schaurig-traurige „Lonely Man“, von Hank Ray in der ihm eigenen Mischung aus Ehrfurcht und tiefergelegtem Tremolo intoniert. Cool. 3,5

Hank Ray

Countricide (ONE MILLION DOUAR/CA1GO) Da trifft es sich nicht schlecht, dass dieser Tage auch diverse Solo-Aufnahmen des derzeit in Hamburg beheimateten Hank aus den späten 90er Jahren zugänglich gemacht werden, auf dem bevorzugten Format der frühen Achtziger. Als verkable Picture-Disc! Porter Wagoners begnadete Gruselnummer „Rubber Room“ wird gnadenlos zerheult, geringere Vorlagen erzittern unter Rays gruftigem Hauch. Mondo morbido. 3,5

The Love Dogs – New Tricks (Tone-Cool/Ruf)

Bodenständiger Rhythm & Blues aus Boston, angereichert mit Soul-Finessen und rustikalem Jump-Blues. Zu muckerhaft für das noch immer grassierende Swing-Revival. Was an Glamour fehlt, wird an schierer Musikalität indes fast wettgemacht. 2,5

The Conrads – Way Back Home (Music Network/Line)

Roots-affine Leser kennen Stefan George womöglich als Slide-Gkarristen von Gigs mit Rieh Hopkins & Luminarios. Mit den Conrads spielt er ungleich bluesigeren Rock mit Southern-Flair und Boogie-Bewusstsein. Das Trio covert Robert Johnson, Tampa Red und Chuck Berry, unaufgeregt, jedoch mit genügend Eigengewicht und fern jeder schalen Routine. Sogar „Route 66“ klingt wieder nach Abenteuer. 3,0

Brian Auger’s Oblivion Express – Voices Of Other Times (Edel)

Der Hammond-Veteran lässt inzwischen von Sohn Karma trommeln und sich von Tochter Savannah stimmlich begleiten, doch sonst hat sich in Augers wummernder, wirbelnder, wabernder Orgelwelt wenig verändert. Alles zentriert um Jazz und Rock, Funk und Blues. Selbstredend gediegen. 2,0

Yngwie Malmsteen – War To End All Wars (SPV)

Martialischer Metal, der beginnt wie ein Outtake von Emerson, Lake de Palmer, bevor ein Eunuch die Stimme erhebt und Yngwies Band Rising Force wie auf Kommando ins Queenland aufbricht, wo Pomp und Prätention regieren und der gute Geschmack grün und blau geprügelt wird. Der Hades. 1,0

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