Short Cuts

Gerling – Headzcleaner (infecious/pias)

Diese Leute aus Australien hätten im Sommer vor zehn Jahren wahrscheinlich die Gitarren jangeln lassen und sich nicht viel gedacht. Heute kennen sie Cornershop, das Überangebot an diskursiv abgesegneten Musikstilen, den Bedienungskomfort der PCs. Gerlings Spiele mit Disco, Indie-Rock und Lounge-Aönosphärik haben etwas Konfuses, aber auch eine psychedelische, träumerische Logik. In diesem Traum, zwischen Vocoder-Stimmen, Händeklatschen und Auswürfen der digitalenjuxbox, muss Kylie Minogue auf beten. Sie tritt wirklich auf, in „G-House Project“, später Kool Keith und Solex. Eine Platte, die unangestrengt flirrend originell ist und mit „Fight Revolution Team“ einen euphorisierenden Ohrwurm hat, auf dem die Gerling-Vögel über einen selbstgeschlagenen Breakbeat und ein Geigen-Ensemble schrammeln. Und selbst singen wie früher die Stone Roses. Nur, tja, besser. (4,0)

Nightwish- Century Child (Drakkar/bmg)

Wenn bei Mittelalter-Metal kein grunzender Mann im Lendenschurz umherspringt, ist alles halb so schlimm. Die Finnen mit Opernsängerin Tarja Turunen klingen auch dieses Mal wie die Liebesehe zwischen Celine Dion und Andrew WK mit einem Symphonieorchester als Trauzeugen. Und „Phantom Of The Opera“-Cover! (2,0)

The Reindeer Section – Son Of Evil Reindeer (BRIGHT STAR/PIAS)

Sie können sich noch tagelang die Locken zwirbeln und auf den Synergieeffekt warten, der sich einstellen soll, wenn man Musiker von Alfie, Belle And Sebastian und anderen Glasgow-Gruppen in einen Raum sperrt. Auf der zweiten Reindeer Section-Platte sind die Folkpop-Songs des Snow-Patrol-Sängers Gary Lightbody noch schwächer und klischiert-koketter, aber wer die neusten Gesänge von Ex-Vaseline Eugene Kelly und Arab Straps Aidan Moffat braucht, braucht auch das. (1,0)

Brideshead – In And Out Love (apricot/efa)

Diese sonnenkrispe Gitarrenpop-Platte will lieb gehabt werden und ist in der Bemühung so dezent wie eine schrill maunzende Schoßkatze. Mit Pale Fountains-Trompete und dem Dandytum von Orange Juice öffnen Brideshead aus Wiesbaden das Bilderbuch der britischen Achtziger als Assoziationsmaschine clever, als Ding auf eigenen Beinen unbeholfen und ohne becircende Idee.(2,0)

Windsor For Derby -The Emotional Rescue LP (AESTHETICS/HAUSMUSIK)

Freunde von Trail OfDead aus Austin/Texas, wirken aber wie Chicago und New Yorrk-Pendler: transparenter Meditations-Indie in der Art von The Sea And Cake, teilweise abgründig derangiert wie Sonic Youth, ohne Krach halt. Frühere Platten waren zum Großteil instrumental, jetzt singen sie, aber arrangieren noch immer aufwändig, verwoben und geistreich. (3,0)

Mitte Karaoke- Aufschlag: Mitte Karaoke (wmf/efa)

Alle, die schon vor Universal in Berlin waren, spielen nun die Wissensvorsprünge aus: Das Elektronik-Pop-Duo hat Wappenbär und Fernsehturm auf dem Cover, singt zu taschenrechnerartigen Analog-Keyboards über das Ausgehen in einem mythischen Mitte. Kraftwerk, Der Plan, Kunstkopf-New-Wave auch das wieder die Achtziger. Die Ästhetik, nicht der Spirit (3,0)

Rollins Band – The Only Way To Know For Sure (STEAMHAMMER/SPV)

Wer hier einen Witz erzählt, muss verglühen. Henry Rollins ist überraschenderweise immer noch nicht explo- oder implodiert, spielt auf dieser Live-Doppel-CD in Chicago rund 110 tätowierte Minuten vor allem Stücke der letzten Platten “ Get Some Go gain“und“Nice“und zeigt hübsch, wie der so genannte Grunge geklungen hätte, wenn die wütenden Protagonisten statt Pizza Aufbauhormone gefressen hätten. (4,0)

Mains Ignition – Turn On (tummy touch/zomba)

Die Londoner Band hätte sicher gerne den „Schulmädchenreport“-Soundtrack gemacht, aber die Mädchen müssten Raumanzüge tragen oder „Hello Kitty“-Animationsfiguren sein. Swingender Sexbeat mit Synthies statt Gitarren, Dampframmen-Dub für Menschen, denen die letzte Fatboy Slim zu esoterisch war. Als Acid Jazz nicht pseudoschwarz genug, dafür sind die scheppernden Stücke mit Slide-Guitar gut für Bluesrock-Hasser; die trotzdem Bluesrock hören wollen. (3,0)

Barbara Manning & GoLuckys! -Transatlantic Trips (Return to Sender/Mormal)

Von den 319 Stücken, die Barbara Manning bei einer durchschnittlichen Show spielt, sind hier erst mal 19. Mit Covers von Amon DüüL den Wings, Townes Van Zandt, aufgenommen bei Live- und Radio-Gigs in Tucson, Hoboken, Hof, Darmstadt – ein tönendes Reisetagebuch, teils putzig, teils berückend. Nur über den Glitterhouse-Versand. (3,0 )

Lambretta (UNIVERSAL)

Das Garbage-Prinzip: Die Frau (hier die Schwedin Linda Sundblad) scheint zu locken, aber haut einem bei erster Gelegenheit den Schuhabsatz durch die Stirn. Dann kommen die Männer von ihrer höllischen Metal-Band und treten dich tot. Auch das ist Popmusik. (2,0)

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