SHORT CUTS :: von Hüttmann & Borcholte

FORMIDABEL

Eine ernsthafte Konkurrenz für Beck erwächst derzeit in England. DELAKOTA, ein Wortgemisch aus De La Soul und den Lakota-Indianern, heißt das neue Projekt von Cass Brown (Senseless Things) mit Des Murphy, deren Ideenvielfalt vermutlich auch noch für ein zweites Album gereicht hätte. Doch vorerst reicht das grandiose „One Love“ (Go Beat/Motor) völlig aus: Big Beat meets Space Folk meets Jazz meets HipHop und Pop.

Die OSTZONENSUPPENWÜRFELMACHENKREBS haben es dem Hörer meist so schwer gemacht, wie ihr Name auszusprechen ist, und dabei übergreifenden Respekt und Ruhm an Blumfeld und Tocotronic abtreten müssen. „Immer hinterran/ Noch nicht einmal vorne gewesen/ Immer dichter dran“, heißt es im Song Respekt vor dem eigenen Hau“ zu einem Baßrhyhthmus, der an Grandmaster Flash & The Furios Five erinnert, und die Gitarren lärmen mit dichtem Schönklang. So spielen die Hamburger Old Schooler auf „Leichte Teile, kleiner Rock“ (L’Age D’Or) einen gelassenen Noise-Rock mit Pop-Melodien, der mit Tempiwechsel und Feedback-Inferni ebenso geschickt wie stringent gelungen ist.

AKZEPTABEL

Die Punkrocker THE OFFSPRING bilden mit Ugly Kid Joe und Green Day die Platinplatten-Troika einer Szenen und Stile einebnenden amerikanischen Rockmusik. Und so ist auch der irreführende Titel „Americana“ (Sony/Columbia) zu verstehen: geschmeidiger Krach mit griffigen Riffs und Stadionrefrains für pubertäre Stagediver. Wird sich auf der Welt verbreiten wie McDonald’s.

CANIBUS ist jung und smart. Also gefährlich. Und was tun junge Wölfe? Sie attackieren alte Hasen. Canibus beleidigt im Song „Second Round K.O.“ den Rap-Recken LL Cool J, der in 15 Jahren viele Rivalen niedergerungen hat. Mit „Can-I-Bus“ (Universal) ist dem Emporkömmling eine feine Platte gelungen zwischen aggressivem Bass’n‘ Rap, Old School-Lässigkeit, verspielten Soul-Samples. Das Stehvermögen LL Cool Js aber wird er nicht haben.

GRANDMASTER FLASH hatte seinen Moment als Befruchter des HipHop. Auf „Flash Is Back“ (Marlboro/BMG) ist nichts Zündendes mehr zu hören, Titel wie „Groove To Get Down“, „Sex On The Scratch“ und „Dance To The Beat“ sagen alles über die Musik. Der Tanzklopfer „Whatever The Hell It’s Working“ reicht immerhin ans Breakdance-Revival „It’s Like That“ von Run DMC feat. Jason Nevins heran.

Kurz vor Ladenschluß des 70er-Jahre-Revivals posieren die SPEZIALIZTZ mit einer alten Mode schwarzer Attitüde: Das Berliner Duo trägt Afrofrisuren und definiert auf „G.B.Z.-oholika“ (Sony/Columbia) seinen Blaxploitation-Kosmos aus „Gras, Beck’s und Zärtlichkeit“. Dagegen ist ihr HipHop mit manchmal funkigem Flow und meist fetten Bässen nur bedingt originell.

Münchens GROOVEMINISTER sind schon lange in der HipHop-Szene dabei und behaupten nun, „Das Maß aller Dinge“(BMG) eingespielt zu haben. Etwas Selbstlob muß sein unter Rappern, doch wird das Duo dem nicht gerecht. In guten Momenten klingen sie wie Fanta 4-Imitatoren, die verkitschten Balladen und mit Soul-House-Gesang angereicherten Stücke gehören eher in die Isar-Schicki-Disco P1.

Die Berliner VIKTORIAPARK eröffnen „In Teufelsm Küche“ (EastWest) mit dem suberben Song „Wir waren jung und brauchten das Geld“, bei dem eine Kindermelodie zum modischen Cello in Gitarrenlärm umkippt, auch „Schräges Foto mit nur der Hälfte drauf“ gefällt mit Rhythmus und dem schnoddrigen Refrain der betörenden Sängerin Susie. Man hört ihnen die Inspirationen an, doch enden viele in dem typischen Deutschrock-Biedersinn.

Bereits mit den Quarks hatte BARBARA MORGENSTERN anrührenden Low-Fi-Elektro-Pop gemacht. Auf ihrem Solodebüt „VermonaET6-l“(Monika), Markenname einer tschechoslowakischen Heimorgel, zirpt und fiept die Wohnstube wie in einem Film mit Pan Tau. Obwohl sie Harmonien und Loops mit bewußtem Charme des Dilettantismus arrangiert, gelingen ihr im Homerecording-Verfahren auch einige glasklare Popsongs, die Morgentau und Abenrot hätten heißen können.

Aus Wiesbaden kommt eine Combo, die es immerhin schon bis auf Platz drei der Rhythm & Blues-Charts von Kentucky geschafft hat Respekt! SUNNYLAND scheren sich keinen Deut um Modernismen, sondern halten ihrem gut abgehangenen Bluesrock auch auf dem neuen Longplayer wie einem alten Lederstiefel die Treue. Das Album heißt deshalb „Out Of Time“ (Inakustik) und kann es locker mit vergleichbaren Werken der Allman Brothers aufnehmen. Denn ihr Sänger heißt Shaun Williamson und war früher bei der Atlanta Rhythm Section am Mikro.

Wer sich an einen Police-Song wie „Regatta De Blanc“ heranwagt, ist entweder von allen guten Geistern verlassen oder schlicht selbstbewußt genug. Auf SANS SECOURS trifft wohl letzteres zu, die mit „Reverb“ (Community/ Virgin) alles zwischen Pop, Wave und selbst Country durch einen gut geölten Fleischwolf drehen. Eine von Deutschlands besten Noise-Combos.

Für die Vocalparts haben MARSCH-MELLOWS die „Stereo MCs“-Sängerin Verona Davis geholt, doch die Magie jener Band erreicht das Frankfurter DJ-Duo nicht. Auf „Rebound“ (Infracom) wirbeln dennoch funkige Samples und Scratches, treibende Big Beats, Dub Reggae, Soul-Zitate, Disco- und Rocksteady-Cover, die eine Nacht lang recht viel Spaß machen können.

In Uhu gehen die Uhren langsamer, also muß man dort anscheinend auch Musik langsamer spielen. Dem Trio STAUB ist jedenfalls kaum übertriebene Hektik vorzuwerfen. Auf ihrem Debüt „Tape“ (XXS/Indigo) pflegen sie auf manchmal angenehm schräge Art jenen traditionellen Slow-Country, den wir ansonsten eher von Souled American oder Golden Smog kennen.

Es begann irgendwie beim Zucchini-Puffer-Essen im Hamburger Hafen. Siebeth und Sascha rafften alles zusammen, was sie in der Hamburger Schule gelernt hatten und gründeten PORNOMAT. Doch mit Diskurspop haben die Hanseaten wenig zu tun – auf ihrem selbstbetitelten Debüt (Bonanza/Motor) wird mehr oder minder sensibel gitarrengerockt Macht Laune.

Unverwüstliche COMBUSTIBLE EDISON. Nach ausschweifenden Nächten an den Bars haben The Millionaire und Miss Lily Banquette das Loungen immer noch nicht satt. Auf „TheImpossible World“ (Bungalow/ EFA) spielen die Easy Listening-Aficionados gar Swing (trendy!) und experimentieren (wieder mal) mit Latin-Rythmen.

MISERABEL

Die Hamburger Biederrock-Band ROH des alternden Clowns Carsten Pape versucht ax&.“Was viele nicht zu singen wagten“ (Mega Records) schenkelklopfende Spaße über einschlägige Teenager-Leserbriefe ans Dr. Sommer-Team. Das aber können nur die Arzte. Bei Roh indes bewahrheitet sich, wovor unser Pfarrer immer gewarnt hat. Wichsen macht blöde.

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