Short cuts :: VON WOLFGANG DOEBELING
The Sprague Brothers
Let The Chicks Fall Where They May
(HIGHTONE/FENN)
Die Magie der Everly Brothers lässt sich nicht reproduzieren, aber solange Don und Phil in Dauerfehde leben und nur alle Jubeljahre zwecks Inkasso ihre Fans mit einer Tournee beglücken, lassen wir uns von Chris und Frank Sprague verwöhnen. Ihre Harmonies sind nicht so eng und innig verschlungen wie die der Everlies, das Backing nicht so raffiniert und perfekt. Doch gehen die Spragues ihre stilechten Songs so beherzt und burschikos an, dass derlei Einwände durchaus zu vernachlässigen sind. Das Duo aus Kalifornien covert Bob Wills und Fats Domino, verankert das eigene Material indes fest in den späten Fifties und frühen Sixties. Buddy Holly klingt an und The Bobby Füller Four (Randy Füller spielt Bassl), The Coasters, aber auch die britischen Ausläufer: The Brook Brothers und Merseybeat, insbesondere die Beatles des Jahres 1963. Auch die waren schließlich nichts anderes als eine (überaus gelungene) Verblendung damals gängiger Klangfarben. Mit Hingabe. So steht es auch auf dem Cover der Spragues-LP: „If it ain’t got soul, it ain’t rock’n’roll.“ 4,0
Bad Livers
Bood&Mood (SUGAR H I LL /GL I T TE R HOUS E ) Atavismus ade, scheiden tut weh. Wer ähnlich rustikalen und rudimentären Old-Timey-Punk von den Texas-Mavericks erwartete, wie sie ihn auf ihre brillanten Quarterstick-LPs bannten, wird bitter enttäuscht. Doch Obacht! Was Danny Barnes und Mark Rubin stattdessen hier bieten, verdient bei aller Sperrigkeit und Sprödheit ein offenes Ohr. „Blood &Mood“ ist ein streckenweise abstraktes Werk. Bass und Banjo dominieren noch, die Melodien indes sind, sofern überhaupt auszumachen, sehr fragmentiert. Die Rhythmik kommt hier aus dem Computer, Loops und Samples Irrlichtern hinter verfremdeten Vocals und verzerrten Gitarren. Für „Love Songs Suck“ bemühen die beiden Dekonstrukteure gar das patentierte Bristol-Knistern. Und zwar zu süßen Pedal-Steel-Licks und scheppernden Beats. Dazwischen pittoreske Balladen und Mitsing-Refrains wie diesen „Tm on a death trip, baby.“ 3,0
Kimberley Rew
Tunnel Into Summer (HYPERTENSION/EDEL CONTRAIRE) Runder, gesunder Powerpop vom ehemaligen Soft Boy und späteren Sidekick von Katrina bei den Waves. Die Rhythm Section sitzt da, wo sie im Pop hingehört: auf der Hinterbank. Die Gitarren geben den Ton an, und die paar Lücken, die sie lassen, werden von Orgel, Mellotron und Harmonika usurpiert. „If There’s An Answer“ könnte von den Bluetones sein, anderswo klingen Squeeze an und sogar lOcc. Viel Melodie, kaum Mätzchen.3,0
Doves
Lost Souls (HEAVENLY) Die große neue Hoffnung aus Manchester mit einem Debüt-Album voller Ambitionen und gewagter Entwürfe. Die Beatles via Oasis. Pink Floyd via Talk Talk. Phil Spector via Stone Roses. Doves halten sich nicht mit Petitessen auf. Die Hammond agiert solistisch, die Gitarren galoppieren rückwärts, Effekte kommen sparsam und pointiert. Die Songs verstrahlen Wärme, unterschwellige Wut und endlose Traurigkeit. Erstaunlich, wie selbstbewusst das Trio die Töne setzt, wie wenig selbstreferentiell die Texte auf den Plan treten. Hier ist nichts marginal, vieles verheißungsvoll, manches triumphal.3,5
Steve Forbert
Evergreen Boy (KOCH) Niemandem noch etwas beweisen muss der Mann aus Mississippi, den man bereits im Alter von 22 Jahren als „neuen Dylan“ zu versilbern suchte und der sein One-Hit-Wonder-Syndrom bestens bewältigte. Für „Evergreen Boy“ ist Forbert nach Memphis gepilgert und hat sich in die Hände von Jim Dickinson begeben. Der lässt es für seine Verhältnisse ruhig angehen, versprüht keinen Funk, sondern setzt Orgel, Bläser und Backing-Chor streng songdienlich ein. Forberts zehnte LP ist eine lockere Afföre. 3,0
Savourna Stevenson
Touch Me Like The Sun (COOKING V I N YL/ I N D IGO) Die schottische Harfenistin mit virtuosen Fingerübungen zwischen keltischem Folk, lindem Jazz und kammermusikalischer Schöngeisterei, fernab von New-Age-Kitsch und esoterischem Schwurbel. Eddie Reader singt das Titelstück mit beinahe ätherischer Leichtigkeit, der Rest ist instrumentales Raffinement 2,5
Lene Martin
Playing My Game (v i r g i n ) Die jüngste in einer langen Reihe jungfräulich-klarer und becircender Mädchenstimmen aus dem hohen Norden. Stina Nordenstam geht tiefer unter die Haut, Idha hat ungleich mehr StiL doch hat auch Lene Marlins Gesang etwas sehr Gewinnendes. Wenn bloß die Musik nicht so schrecklich flauschig wäre und ihre läppische Lyrik wenigstens grammatikalisch korrekt. „You spread your wings and you had flown“, singt sie so hübsch wie falsch. Die aparte Lene ist das fehlende und allzu lange entbehrte Bindeglied zwischen Natalie Imbruglia und denCorrs. 2,0
Trudy Lynn
U Don t Know What Time It Is (RUF/INAKUSTIK) Die texanische Blues-Diva goes funky, nicht zum ersten Mal, aber stringenter als zuvor. Bernard Alüson und Lucky Peterson steuern Gitarren und Orgel bei, die Lady lockt und lechzt, stöhnt und röhrt. Der Opener „Shake, Ratde 8C Roll“ klingt noch arg nach Routine, mit dem Titekong jedoch und mit Leon Russells „Help Me Through The Day“ pendelt sich La Lynn auf einem respektablen Intensitäts-Level ein. Schade, dass das Material nicht immer mithält. 3,0
Terry Evans
Walk That Walk (Telarc/inakusiiki Grundsoliden Soul entbietet auch Terry Evans mithilfe so illustrer Gäste wie Ry Cooder und Jim Keltner, dazu zünftigen Boogie und bluesige Balladen. Evans, der als Backing-Sänger für John Lee Hooker Erfahrung sammeln durfte, singt am eindringlichsten auf den langsameren Cuts wie dem gospelig en „Don’t Give Up“ oder dem trotzigen Tearjerker „Fll Get Over You“. The realStoff. 3,0