SIMPLY RED – Blue :: EASTWEST
Wir haben mal geraten, wie die neue Simply Red heißen könnte. Zuletzt gab es „Stars“ und ELife“. Vielleicht „Earth“? Ich glaubte an „Diary“. Doch die neue Simply Red heißt anders, sie heißt „Blue“. Mick Hucknall erklärt, warum das so ist: Er habe die große Liebe gefunden, aber wieder verloren. Da war er traurig. Und jetzt sucht er wieder. Die große Liebe. Den Soul. Die Seele. „Dieses Album hat sehr viel Tiefe“, sagt Hucknall. Im Ernst.
Aber lasen, ja sahen wir den Liebessucher nicht vor Monaten in „Bild“ schamlos mit zwei Frauen auf dem Schoß am Restaurant-Tisch? Das kann er erklären: „Ich bin der Liebe einfach total verfallen. Ich hatte lange verdrängt, daß ich ein totaler Romantiker bin.“ Yessir. Sein Publikum hat das nie verdrängt: Es verwechselt seit eh und je Simply Red mit Soul, Schmus mit Romantik, Stimmung mit Gefühl. Mick Hucknall ist ein Simulant.
Doch nicht mal seine eigenen Songs sind so schrecklich wie die zwei Versionen von „The Air That I Breathe“ auf dieser Platte. Die erste Fassung ist nur blöd, die zweite könnte von Papa Bear oder den Backstreet Boys stammen, k. d. lang hat das Stück im letzten Jahr gemessen und mit gravitätischer Ironie gesungen, als es ihr um Rauch ging. Hucknall geht es um gar nichts. Natürlich hat er noch immer seine Momente. „Someday In My Life“ ist Kitsch, aber von der Hollywood-Musical-Sorte, von der Sorte „Ev’ry Time You Say Goodbye“, das Simply Red ja auch schon mal zugerichtet haben. Gregory Isaacs „Night Nurse“ und Dennis Browns „Ghetto Girl“ in der Interpetation von HucknaU sind schmerzlich genug, aber Neil Youngs kaum bekanntes „Mellow My Mind“ paßt in Hucknalls Welt wie „Sunshine Reggae“ in Youngs Universum. Trotzdem ist es das beste Stück auf „Blue“.
Auf einem neuen Bildnis sieht der Mann, der die Frauen liebte, mit Kinnund Schnauzbart wie ein drogensüchtigem pummeliger Pizzabäcker aus (und die Musik für die Pizzeria macht er selbst!). Irgendwie erschöpft, ja abgekämpft. Tief eben.