Sleater-Kinney

The Woods

Versierter, aber immer noch wuchtig: Große, verwackelte Rocksongs

Nach dem dritten Album kann man eigentlich jede Punkband abschreiben. Wenn Wut und jugendliche Wildheit verflogen und die Instrumente erlernt sind, wird Originalität durch Reproduktion, Ungestüm durch Technik ersetzt und die große Langeweile setzt ein.

Bei Sleater-Kinney ist das anders. Nicht nur, weil der Bindestrich im Bandnamen wesentlich erfrischender für den feministischen Diskurs war ab der eine Zeitlang beliebte in Nachnamen von FDP-Politikerinnen. Corin Tucker ist, das ist mal klar, die mächtigste weibliche Stimme des Rock. Sleater-Kinney sind mit den Jahren zwar versierter geworden, die Stücke treffen präziser, aber immer noch mit der gleichen Wucht Das mag auch daran liegen, daß die Band sich nach ihrem dritten und bis dahin besten Album „Dig Me Out“ auf „The Hot Rock“ ein bißchen zurücknahm, was einem, nachdem man das fünfte Werk „All Hands On The Bad One“ gehört hatte, nachträglich vorkam wie eine große Ausholbewegung zum nächsten Schlag. Auch das letzte Album „The Beat“ wirkte trotz des Titels mit seiner glatten, teilweise opulenten Produktion und seiner stilistischen Vielfalt wieder wie ein Schritt vor das Wesentliche, um den Anlauf für den nächsten Wumms zu vergrößern.

Übersteuerungen, Riesenlärm, ausufernde Gitarrensoli, nur ein Song unter drei Minuten, mehrere über vier. Das von Dave Fridman produzierte „The Woods“ ist ein gewaltiger Schlag auf die Ohren, der einen fürs erste das Gleichgewicht verlieren läßt Das klingt teilweise wie ein schlecht aufgenommenes Led Zeppelin-Live-Bootleg. Und war das nicht immer Feindesland? Testosterongetriebene Rockismen, die die Gitarre wie einen riesigen Phallus aufragen ließen? Setzte man nicht zweiminütige Hysterieattacken wie „I Want To Be Your Joey Ramone“ dagegen?

Wenn die erste Verunsicherung verflogen ist, genießt man es. Denn erstens spielen da ja immer noch Brownstein, Weiss und Tucker und nicht irgendein narzißtischer Typ mit nacktem Oberkörper, zweitens hat letztgenannte ja – wie wir wissen – die mächtigste Stimme des Rock, und drittens führt dieser stilistische Schlenker wieder zu ähnlich verwackelten Stücken wie in den Anfangstagen. Und zu großen – nu ja – Rocksongs. Unglaublich, wie sich das epochale „Let’s Call It Love“ – eine Art feminine Antwort auf „Whole Lotta Love“ zehn Minuten zuckend dahinwindet und schließlich in „Night Light“ mündet: „I hate to be led/ So give me a spark I can look for instead.“

Let there be rock!