Smashing Pumpkins – Pisces Iscariot

Als Billy von der großen Reise zurückkehrte, die ein Jahr gedauert hatte, sah er, daß es nicht gut war. In Schottland war ein Mädchen beim Tumult des Konzertes getötet wurden. Schlagzeilen, Fragezeichen. Die Konzerte der Smashing Pumpkins in Großbritannien wurden verrissen als seelenlose Reichsparteitage eines Größenwahnsinnigen, der seine Anhänger verspottet. In New York starb der Keyboarder Jonathan Melvoin am Heroinkonsum. Der Schlagzeuger Jimmy Chamberlin wurde verhaftet. Schlagzeilen, Fragezeichen.

Billy Corgan, noch nicht 30 und der Fackelträger seiner Generation, hatte viel zu erklären. Im Gespräch mit dieser Zeitschrift legte er eine Beichte ab, die auch eine Apologie ist: Habe ich Drogen genommen? Sie sind mir nicht unbekannt. Habe ich Melvoin und Chamberlin gewarnt? Ich habe mit ihnen gesprochen, aber ich bin kein Kindermädchen. Habe ich je die Kontrolle verloren? Niemals.

Es muß alles heraus. Billy Corgan, getriebener Diktator und begnadeter Selbstzerfleischer, veröffentlicht noch die letzten Reste seines Schaffens, die äußersten Rudimente aus seiner Vergangenheit. Schon einmal, nach „Siamese Dream“, haben die Smashing Pumpkins eine Box mit (Vinyl)-Singles herausgegeben, unter demselben Titel: „Pisces Iscariot“. Nun ist es „A collection of b-sides and previously unreleased songs“, was halt übrigbleibt: Outtakes, Radio-Sessions, Plunder. Ein großes Ego sortiert den Nachlaß rechtzeitig zu Lebzeiten.

Der Berserker triumphiert hier über den Melancholiker, der Krawall über die Melodie, die Konfusion über die Präzision. Ohnehin neigen die Smashing Pumpkins zu Redundanz und Dehnung – alles ist zu lang: die Tourneen, die Songs, die Alben, die Produktionszeiten. Beinahe droht Corgan das Schicksal Frank Zappas – grausam für jemanden, der nicht in den Olymp des Erratischen, sondern in die Zentrale der Weltherrschaft will. Billy Corgan hat keinen Sinn für Ökonomie, er ist eher Gourmand als Gourmet, eher Hypochonder als Analytiker.

Quälend propellern die Gitarren in Black Sabbath-Manier lange Minuten dahin, brüllt Corgan in den Wald, säuselt er Zartes nach „Spaceboy“-Art, darf auch der gebeutelte Adlatus James Iha mal einen Song aufnehmen, tippt der Manische eigenhändig das Faltblatt mit Notizen (samt authentischen Fehlern) voll. Der vierzehnminütige Fiebertraum „Stark“, geschrieben zur Zeit von „Siamese Dream“, enthalte „some of my favourite lyrics“: „Serve yourself, no one else can do/ And no one else fails like me, but in my eyes I burn alive/ No more words, just you and I in the sky.“ So notiert auf einem Briefumschag. Das Träumerle!

In elegischen Songs wie „Soothe“. “ Whir“ und „Blew Away“ (das Iha-Stück) sind die Smashing Pumpkins betörende Sentimentalisten von cherubinischer Schönheit. Sie können rocken wie keine andere amerikanische Band, Corgan heult dazu kathartisch, aber das Inferno zählt nicht immer zu ihren besten Momenten. Ach, es ist ein Wechselbad, ein Konglomerat und eine Abraumhalde – und wer soll das alles kaufen?

Erst kürzlich gab es die vorzügliche Single „1979“ mit sechs Songs „Pisces Iscariot“ enthält deren 14, doch manches davon ist entbehrlich. Zwei Stücke stammen übrigens von Stevie Nicks und von Eric Burdon. Man ahnt mithin bang, was folgen könnte: die Hommage an Cheap Trick, Devo, Kiss, Boston, Journey, Iron Maiden, Ted Nugent und Peter Frampton. Und, übrigens, ein herzliches „Fuck you“ von Billy Corgan an „those who will never understand love, peace, empathy, desire, mischief, and gladness“. Wir fügen hinzu: an alle, die Billy Corgan nicht verstehen. Vom Unglück geschlagen, ersteht er auf im eigenen Mythos.

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