So, wie nach Kriegen :: Gute Reise! Rio Reiser trifft auf schnoddrige Seemannsromantik

Mit dieser zerknautschten Stimme kriegt er einen natürlich sofort rum. Wenn Patrick Richardt in der polternden Trotzhymne „Wir segeln“ den mürrischen Romantiker spielt und Verse knurrt wie „Hör auf zu klagen/ Wir segeln! Wir segeln!/ Demselben und alten Wahnsinn entgegen“, dann ist es nahezu unmöglich, sich nicht an Rio Reiser erinnert zu fühlen.

Wie in „Wir segeln“ pflegt Patrick Richardt auf allen Nummern seines Debüts „So, wie nach Kriegen“ diesen schnoddrigen Ton. Obwohl er aus dem Ruhrpott kommt, haben sich seine Lieder mit der Sehnsucht der Matrosen, der Lust auf neue Horizonte vollgesogen. Mal sentimental wie in „Morgenlicht“, mal unternehmungslustig wie in „Wie die Meere entstehen“ inszeniert Richardt seinen Aufbruch. Weil jeder Anfang ein Abschied ist, mischt sich in Liedern wie „Adé, Adé“ Wehmut in die Hochstimmung. Und auch wenn er dort die Textzeile „Jetzt oder nie“ nicht mit „Anarchie“ vervollständigt, hört man dieses Wort bei einem, der offensichtlich das Ton-Steine-Scherben-Repertoire verinnerlicht hat, trotzdem mit. Der Aufbruch Richardts ist aber nur als Rebellion im Privaten politisch, sein Lieblingsreimwort heißt „Leben“, und in der knackigen Durchhalteparole „Fliegen lernen“ warnt er nuschelnd: „Es ist viel zu früh, um jetzt schon durchzudrehen.“

Man hört Richardts durch die Songs torkelndem Gesang so gern zu, dass es gar nicht auffällt, dass die Lieder nicht immer mit seinem charakteristischen Gesang mithalten können. Das Brüchige, Beiläufige, Sperrige, das er in seiner Stimme ausstellt, spiegeln nicht alle seine an der Indie-Ästhetik Conor Obersts oder Gisbert zu Knyphausens geschulten Songs so gut wider wie der verhaspelte Walzer „Herz versagt“, der mit Fingerpickings verzierte Stehaufmännchenfolk von „Wie nach Kriegen“ oder das Epos „Lichterloh“, das Richardt einmal mehr zur Hymne für alle Unangepassten macht: „Lass dich nicht verbrennen/ Von der Welt und ihren Zwängen!“ (Grand Hotel van Cleef) Gunther Reinhardt

Naked Lunch

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