Soul & Blues

Hand aufs Herz: Wieviele große Mundharmonika-Stilisten spuckt Ihre Denkfabrik auf Anhieb aus? Und wieviele Gitarristen? Na, eben. Selbst im Blues stand der Oralverkehr immer im Schatten der Phallokratie – ein Umstand, der zu denken geben sollte. An dieser Stelle soll aber vielmehr der schöne Umstand gewürdigt werden, daß sich nach etlichen Jahren Enthaltsamkeit (fast) zeitgleich zwei Harp-Pioniere zurückmelden. Zusammen mit Gitarren-Ökonom Jay Geils knüpft MAGIC DICK SALVITZ auf „Bluestime“ (NET-CD 51/Zensor/Indigo) exakt da an, wo das Duo vor gut 20 Jahren aufhörte, als die „Big Time“ für die J. Geils Band winkte und Salwitz mit seinem aberwitzigen Instrumental „Whammer Jammer“ längst unsterblich war: Der roh swingende, mit Witz und Virtuosität gespielte Chicago-Blues bindet milde Jazz-Partikel mit einer coolen „No Nonsense“-Attüde ein. 3,5

Sugar Blue alias JAMES WHITING hat sich mit seinem „Miss You“-Riff einen Platz in den Rock-Annalen gesichert Um so unverständlicher, daß er glaubt, den Stones-Oldie auf „BlueBlazes“ (RRCD 9.01301/Line/DA Music) noch einmal als reichlich mißglücktes Instrumental exhumieren zu müssen. Das bleibt allerdings der einzige Fauxpas auf einem Album, das unaufgeregt, aber durchaus anregend ein weites Feld zwischen schroffem City-Blues und wehmütigem „Country-Blues“ vermißt. Eher mäßige Vocal-Leistungen und sein Hang zur bloßen Leistungsschau bringen aber Punktabzug in der B-Note. 2,5

KEB’MO‘ alias K. Moore hat Pech. Beim reaktivierten „OKeh“-Label steht er klar im Schatten des hipperen Kollegen G. Love & Special Sauce. Und deshalb mit „Keb’Mo“ (Okeh/Epic EK 57863/IRS) auch nur im Import-Fach. Das ist irgendwie verständlich, aber auch irgendwie ungerecht. Denn an einer konventionelleren Elle gemessen, schneidet der junge Kalifornier mit seinem luftigen Akustik-Sound gut ab. Und sammelt als Autor mit „Victims Of Comfort“ oder „Love Blues“ Pluspunkte, die nicht nur Ry-Cooder- und Taj-Mahal-Fans aufhorchen lassen dürfen. 3,5

Memphis in the meantime: PRESTON SHANNON marschiert mit harsch-zärtlicher Vokal-Erotik ä la Otis Redding und drängenden Gitarren-Licks durch einen üppigen City-Sound geradewegs auf ein sattes „Beale Steet Boogaloo“ (Song-Titel) zu. Logisch, daß der Albumtitel „Break The Ice“(NET-CD 9545/Zensor/Indigo) da nicht lange seiner Erfüllung harren muß. 3,0 Weiter „South By Southwest“ liest

LAVELLE WHITE

mit der gestandenen Aura der späten Jahre jungen Männern mit entfesselten Hormonen die Leviten und hat auch ein paar ebenso kluge wie elegant formulierte Lektionen von der Tragik großer Gefühle auf Lager. Dazu serviert die Antones-Studiomannschaft auf „Miss Lavelle“ (ANTOO31/IRS 974194) Texas-Blues atitsbest. 3,5

Keine Super-Promis, keine John-Hiatt-Songs (nichts gegen John-Hiatt-Songs!), keine aufgemotzte Produktion – vermutlich ist „Slippin‘ In“ (Silvertone/Aris 41413422) genau deshalb BUDDY GUYs bestes Album seit Jahren geworden. Unterstützt von Johnnie Johnson und Gitarrist David Grissom (Joe Ely, Meilencamp) spielt und singt der Mann aus Chicago den Blues mit einer Autorität, Sensibilität und virilen Sinnlichkeit, die Maßstäbe fürs Genre setzt. 4,0

Charles Brown kann bei seinem Weihnachtsalbum gleich auf Klassiker aus eigener Feder („Merry Christmas Baby“, „Please Come Home…“) zurückgreifen. Der gut abgehangene Elf-Song-Reigen firmiert unter dem treffenden Titel „Cool Christmas Blues“ (Bullseye CD BB 9561/Zensor/Indigo) – genau das Richtige also . für erhitzte Gemüter im Feiertags-Streß. In diesem Sinne: Take it easy.Buttakeit 3,0

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