Spiderman, Regie: Sam Raimi :: Startr 6.6.
Es sind die Freaks, die immer wieder für Erstaunen sorgen, wenn sie im lahmenden Mainstream eindringen. Tim Burton, der Gruftie, dem gleich nach „Beedejuice“ das Budget für „Batman“ anvertraut worden ist. Oder auch Peter Jackson, ein Kobold, der mal den Splatterstreifen „Braindead“ gedreht hat – und schließlich „Der Herr der Ringe“. Und Sam Raimi, der Satansjünger, dessen „Tanz der Teufel“ allenfalls als Kult geläufig ist: Nun bringt er für knapp 140 Millionen Dollar den Comic-Superhelden „Spider-Man“ ins Kino und soll damit am Jahresende im Umsatz mindestens hinter „Star Wars: Episode II“ liegen. Sie alle sind Kindsköpfe, die sich im Trash gesuhlt haben und mit der selben Besessenheit irgendwann nach dem Popcorn greifen. Dabei bringen sie dann jene Nuancen in die umfassend interpretierten, von der Popkultur aufgesogenen und von Fans wie eine Bibel verehrten. Topoi der Fantasy-Fabeln, durch die sie nicht nur Teenager in die Kinos holen, sondern ebenso die misstrauischen Jünger versöhnen.
Zwischen Richard Donners rührend kindischer, biederer Marionette „Superman“ von 1978, „Batman“ und „Spider-Man“ liegen jeweils rund ein Jahrzehnt und mehrere Quantensprünge der Spezialeffekte. „Spider-Man“ führt nun vor, dass für die entscheidend spektakulären Stunts kein Darsteller oder Double mehr nötig ist.
Wenn der Spinnenmann sich mit der dreifachen Dynamik eines Zirkusartisten oder Spitzenturners in vollendeter Haltung über die Dächer und durch die Straßenschluchten von New York schwingt oder auch auf die Brooklyn Bridge katapultiert, sieht man meist nur eine perfekte digitale Projektion. Damit ist Raimi der Ästhetik und Perspektive der Vorlage näher als jede andere Comic-Verfilmung zuvor.
„Spider-Man“ wurde 1962 geschaffen. Raimi aber orientiert sich gelungen in Atmosphäre und Kulissen vielfach am fantastischen Horrorfilm der 50er Jahre. Passend spielt Tobey Maguire mit linkischer Liebenswürdigkeit den schmalbrüstigen Außenseiter Peter Parker, der durch den Biss einer radioaktiv veränderten Spinne seine Superkräfte erhält. Wie er seine Muskeln entdeckt und Fähigkeiten erprobt, gehört zu den schönsten und komischsten Momenten des Films. Die Verwandlung lässt sich als Allegorie auf die Pubertät lesen, etwa wenn er mit den weißen Fäden aus seinem Handgelenk sein ganzes Zimmer verklebt. Die Normalität war „Spider-Man“-Zeichner Stan Lee wichtig. Er hat auch an der analytischen Filmstory mitgeschrieben, in der Peter und sein Freund Harry (James Franco) um Mary Jane (Kirsten Dunst) rivalisieren, während Harrys Vater (Willem Dafoe) nach einem wissenschaftlichen Selbstversuch als der Grüne Kobold parallel mit Spider-Man ringt.
Raimi hat alle Mittel ausgeschöpft, um die Figur erfolgreich im Kino einzuführen. Danach werden alle und vor allem das Studio eine Steigerung erwarten, und es kann ihm ergehen wie Burton. Der wurde nach dem düsteren „Batman’s Return“ gefeuert. 3,5