Spiritualized – Let It Come Down
Mal orchestrales Wunderwerk, mal Sofa: Jason Pierce hebt nieder ab
Das Raumschiff ist gelandet, mitten auf dem Parkett des Wiener Opernballs. Jason Pierce, der LSD-Astronaut mit den ungewaschenen Haaren, Kommandant der One-Man-Show Spiritualized, hat einen Walzer geschrieben. Nichts Leichtes, ein Stück von biblischer Tiefe, mit biblischen Anspielungen, das nur auf eine Platte von biblischen Ausmaßen passt: „Let It Come Down „, über eine Stunde, über 100 Musiker.
„The Straight And The Narrow“ heißt der Song. Die Band startet als kleine Dreivierteltakt-Tanzkapelle, die Bläser kommen beim zweiten Refrain dazu, dann die Streicher, die sich bis zum Schluss auf sonderbare Art weiter zu vermehren scheinen. Ein Frauenchor tritt auf, nur um die letzten zwei Zeilen mitzusingen: „The devil makes good use of these hands of mine.“ Pierce im Beichtstuhl, groß wie eine Kathedrale. „You know that I’ve got a little something I should say/ I guess that I’m just so easily led astray“ – es klingt nach Buße, aber die Absolution erteilt er sich selbst.
Also doch keine Überraschungen. Jason Pierce ist schon mit Jesus gewandert, als er noch bei Spacemen 3 spielte. Orchestral opulent waren die alten Spiritualized-Platten auch, vollendet vor vier Jahren mit „Ladies And GentlemenWeAreFloatinglnSpace“, ins Absurde getrieben auf der nachfolgenden Doppel-Live-CD, wo sich Legionen von Philharmonikern und Gospel-Sängern hörbar auf die Füße traten. Obwohl der Musiker Pierce ja ein krankhafter Einzelgänger ist: Bevor er „Let It Come Down“ in Angriff nahm, feuerte er den Großteil seiner Kern-Band, setzte sich einsam ans Klavier und schrieb die Partituren. Manche glauben, er sei zwischendurch noch in einer Entziehungskur gewesen. In Wahrheit hat es nur deshalb so lange gedauert, weil Pierce gar nicht Klavier spielen kann.
Ein bisschen kreative Spannung, etwas Ärger mit irgendwelchen Partnern würde ihn weiter bringen. Denn nach einer halben Stunde, die zum Mächtigsten, Rührendsten, Zwingendsten gehört, was es je von Spiritualized gab, nickt die Platte ein. Friedlich, umschwärmt von Engelsstimmen, bis zum Tiefschlaf. Dann würde man am liebsten auf Zehenspitzen nach nebenan gehen und Jason Pierce mit seinem Baby allein lassen.