Steinbruch Kurzbesprechungen

Micki Berenyi ist gnädig. „Es ist nicht generell so, daß Männer Bastarde sind“, sagte die LUSH Sängerin unlängst in einem Interview. Die Skepsis vor den Kerlen aber bleibt. Kein Wunder, daß sie auf „Lorelife“ (4AD/RTD) ein Duett mit Jarvis Cocker anstimmt – der Pulp-Chef ist immer sexy, aber nie sexistisch. Das counrtyeske Stück „Ciao“, bei dem die beiden einander zuflüstern, ist der Höhepunkt der CD. Dabei hat das englische Quartett, deren Melodien früher immer ein bißchen zu sehr wie vom Winde verweht klangen, insgesamt zugelegt. Mit „Single Girl“ verfügen sie sogar über einen richtigen Singalong-Hit. 3,0

Ein Überlebender, aber ohne Glanz: ERIC BURDON bereist noch immer die Welt, röhrt noch immer die alten Gassenhauer, läßt sich durch zehn Minuten „We’ve Gotta Get Out Of This Place“ treiben: „Rare Masters“ (SPV), mal live, mal im Studio, mal in Europa, mal in Amerika. Am ehesten daheim war Burdon wohl bei der Aufnahme von „House Of The Rising Sun“: im „Whiskey a Go Go“, Los Angeles. 2,0

Die LENINGRAD COWBOYS. Aki Kaurismäki, sonst unfehlbar, hat zwei dumme Filme mit ihnen gedreht, sie selbst tingeln seit Jahren sinnlos als running gags durch Deutschland. Das Tragen von spitzen Schmalztollen und spitzen Arschpiekern gilt bei manchen Menschen als komisch. Auf „Leningrad Cowboys Go Space“ (BMG Ariola) spielt die Combo den bewährten unkomischen Katastrophen-Rock, aber diesmal dreht Kaurismäki keinen Film. 1,0

Jaz Coleman spricht ein großes Wort gelassen aus: „Democracy“ (RTD). So heißt das neue Album von KILLING JOKE. Doch das walzende Untergangsgedröhne der Apokalyptiker arbeitet der Diktatur entgegen. 2,0

Große Musik ist das Resultat einer Kollision: Charakter trifft auf Musikalität. So gesehen, müßte „Rising“(Capitol/EMD von YOKO ONO/IMA äußerst hörenswert sein, denn Charakter kann man der 62jährigen Ono nicht absprechen (man könnte ihn freilich dubios nennen), und die musikalischen Fertigkeiten von IMA, dem Trio um ihren Sohn Sean, sind nicht unbeträchtlich. Daß „Rising“ dennoch einen zwiespältigen Eindruck hinterläßt, liegt nicht am noblen Humanismus der Texte noch an der kratzigen Kompetenz der Musiker, sondern allein an Yokos riskant-expressionistischem Vortrag, der provozieren will, sich aber oft in bloßer Lautmalerei verliert. Ihr Keuchen, Stöhnen, Husten, Meckern, Röcheln und Kreischen möchte der Botschaft Flügel verleihen, lähmt statt dessen aber bisweilen den Fortgang der Musik und behindert so das Verstehen. Für Momente ist „Rising“ Katharsis und Therapie, dann wieder ist ein orgiastisches Hecheln zu hektisch, ein gutturales Würgen zu theatralisch, und man fragt „What?“, und sie sagt: „Have courage!“ Nur: What for? 3,0

Die Freunde der bayerischen Amüsier-Gruppe HUNDSBUAM MISERABLIGE (BMG Ariola) sitzen naturgemäß bei unserem Lieblingsblatt, der „Süddeutschen Zeitung“. Dort delektiert sich der lokale Kulturteil an den durchgedrehten Pogo-Polka-Ländler-Volksmusik-HipHop-Kuhglocken-Schrulligkeiten des Quintetts. Aber es gibt doch schon Attwenger, Haindling, FSK, die Zillertaler Schürzenjäger! „Deckel zua, latz is a ruah – mei liaba Bua!“ Dialektische Späßchen, a bisserl bled. 2,0

Seine Musik ist nicht mehr so frei und fließend wie mit der Incredible String Band, doch die bildhafte Lyrik seiner mittlerweile reichlich orthodoxen Songs ist noch immer voller Drachen, Regenbogen und Träume. „Where The Mystks Swim“ (Strange Ways/Indigo) heißt denn auch das neue Album von MIKE HERON, höflich folky, nett-kontemplativ, alles andere als aufregend. Einzig „A Song For Robert Johnson“, Herons Ode an das rätselhafte Blues-Genie, hat Kraft und vermittelt Gedanken und Gefühle, die die Mühe lohnen. Die restliche Mystik schwimmt nicht, sondern dümpelt in seichten, Keyboard-verseuchten Folkpop-Gewässern. 2,0

Seine Konzerte waren zwar die Sensation des letzten Jahres – leider war kaum jemand da. Doch WAYNE KRAMER läßt sich von der Ignoranz nicht beirren und legt sein zweites Album für das Punk-Label Epitaph vor. „Dangerous Madness“ ist zwar im Gitarren-Sound nicht ganz so kompakt wie „The Hard Stuff“ von 1995, trotzdem ist das Werk empfehlenswert. Noch immer spielt der MC 5-Gitarrist den Soul mit schneidender Härte, und Brett Gurewitz von Bad Religion darf seinem Idol mit Background-Vocals aushelfen. Höhepunkt ist das jazzige „A Dead Man’s Vest“, in dem Kramer von seinem Vater erzählt – unsentimental und überhaupt nicht selbstgerecht. Auch in seinem fünften Lebensjahrzehnt verzichtet er auf den Weichzeichner. 3,5

Ein bißchen hat er die Verve des jungen Freddy Quinn. Die Augenbrauen zieht SPACE KELLY auf dem Cover von „Das Leben ist kein Heimspiel“ (Freistil/EFA) cool zusammen, während er die Gitarre wacker geschultert trägt und hinter ihm die Knirpse des Hummelsbüttler Fußballclubs Aufstellung nehmen. Der junge Mann aus Hamburg hat Witz, gibt sich romantisch – und ist trotzdem solo. Wahrscheinlich nur, um Lieder drüber zu schreiben. 3,0

Nach dem Aufstieg von Jarvis Cocker zum thin white duke und Michael-Jackson-Basher möchte das Fire-LabeL das vergeblich die ersten vier PULP-Alben veröffentlichte, auch noch ein bißchen Geld verdienen. „Countdown 1992 -1983“ (edel contraire) versammelt 20 Songs, die wie charmant unfertige Vorstudien und Entwürfe zu „Different Class“ klingen. Pulp waren Manieristen, noch keine Meister, die bei David Bowie, Julian Cope und Scott Walker lernten. 3,5

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