Steve Earle And The Del Mccoury Band – The Mountain

Es sieht aus, als ob er doch nicht ganz da hingehört, der Mann mit dem massigen Hals und dem speckigen Scheitel. Was nicht allein daran liegen kann, daß er als einzige Figur des Sextetts ein richtig dunkles Hemd

trägt. Das paßt irgendwie zu seiner Rolle: Halb Pate von South Nashville, halb prodigal son der Music Row, thront Steve Earle im Hintergrund seiner neuen Begleitet Del McCoury und seine Bluegrass-Bande sind heute erste Adresse für Spurensucher auf der Fährte von Bill Monroe selig. Der erwies einem gerade wieder halbwegs genesenen Earle und dessen Akustik-Band im Dezember 1995 die Ehre eines Gastauftritts und damit auch die Initialzündung für „The Mountain „.

Daß Earle irgendwann mal beim puren Bluegrass landen wurde, kann indes nicht überraschen. Einer wie er muß sich einfach angezogen fühlen von einer Musik, die über dem ganzen New Country-Hype eine fast letzte Bastion unkorrumpierten Ausdrucks geblieben ist. Daß neue Hoffhungsträgerinnen – wie die hier gastierenden Iris DeMent und Gillian Welch – ebenfalls aus dieser schier unversiegbaren Quelle saugen, paßt auch ins Bild. Nachdem Earle zuletzt auf“£/Com?oft Ä eher zwischen allen Stühlen agierte, geben ihm McCoury und seine Jungs hier einen festen stilistischen Rahmen, an dem sich der Bluegrass-Schüler als Songwriter hübsch abarbeiten kann.

Das tut Earle durchaus mit Bravour. Mühelos durchdringt er klassisches Territorium („Harlan Man“, Titelsong), auch die (unerfüllte) Liebe bis in den Tod („Carrie Brown“) darf nicht fehlen. Dazu lädt Earle mit Engelszunge zum „Outlaw’s Honeymoon“, macht in sozialkritischer Bürgerkriegs-, Great Depression- und Jugend-Reminiszenz (J)ixieland“,J J eroy’sDustbowl Blues“, „Texas Eagle“), und „Paddy On The Beat“ reaktiviert gar die alte Pogues-Connection (ohne Shane freilich). Abschließend das große, prominent besetzte Defilee zu Ehren des verstorbenen Bassisten Roy Huskey, Jr.: JPilgrim“.

Als Sänger ist Earle mit seinem gepreßten Vortrag in diesem Kontext etwas gewöhnungsbedürftig. Was zumal dann auffallt, wenn die leichten Tenorstimmen von Del und Ronnie Mc-Coury mit ins Geschehen eingreifen oder Iris DeMent im Tearjerker „I’m Still In Love With You“ auftrumpft. Aber der Mann hat zweifellos dazugelernt in der Bluegrass-School. Das (selbstsüchtige) Motiv dafür, so Earle, sei nichts Geringeres als „Unsterblichkeit“ gewesen. Ein Song müßte doch dabei sein, der auch nach seinem Ableben aufjedem verdammten Bluegrass-Festival wenigstens von einer Band gespielt werden wird? Dabei fallen uns natürlich einige Songs ein, die Steve Earle schon vor diesem Album die höheren Weihen eingebracht haben. Aber der Ehrgeiz dieses Mannes, der sich so lange treiben ließ, ist ja auch ein gutes Zeichen. 4,0

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