Steve Earle – Sidetracks

Keine Outtakes!, versichert Earle selbst, und einem Wahrhaftigen wie ihm wäre eine Lüge auch nicht zu verzeihen. Wie die Beatles Mitte der Sechziger würde er gern aufnehmen, an ein, zwei Tagen eine Single heraushauen. Das funktioniert zwar nicht einmal bei einem Beitrag für einen Soundtrack oder eine Tribute-Platte, aber das Sporadische, Spontane kommt dem Umtriebigen entgegen. Sechs Alben in sieben Jahren – es ist, als wollte Earle die verlorene Zeit im Knast wieder aufholen.

Dabei wiederholt er sich natürlich auch mal. Diese Stücke, überwiegend aus der Zeit von „Transcendental Blues“, gehören manchmal zum Inspiriertesten („Open Your Window“ und „Me And The Eagle“ für den „Pferdeflüsterer“), schwerblütig, schleppend, Bouzouki-beladen. Das entspricht durchaus Robert Redfords Tempo da unten in Utah. Die Instrumentalstücke funktionieren auch ohne Konzept. Aber die Reggae-Schunkelei Johnny Too Bad“ mit den V-Roys ist so albern und grauenhaft wie der Versuch, Kurt Cobains „Breed“ zu interpretieren. Bob Dylans „My Back Pages“ bringt bloß nichts. Solche Wagnisse missglücken nicht nur, weil niemand diese Songs mit einer eigenen Signatur ausstatten kann.

Sondern auch, weil Steve Earle weder die finale Verzweiflung des einen noch die frühe Abgeklärtheit des anderen Künstlers hat Earle ist ein riesiger Gemütsmensch, ein Gerechtigkeitsfanatiker und Aktivist, dem Egoismus vollkommen fremd ist. Er ist wie der klobige, seelenvolle Victor McLaglen in den Filmen von John Ford: ein gutmütiger Krachmacher, die Mutter der Kompanie, geläuterter Säufer und Raufbold. Wie wunderbar gelingen die irischen Reels „Dominick St.“ und „Sara’s Angel! Der tosende Chambers Brothers-Song „Time Has Come Today“, mit Sheryl Crow aggressiv singend und dem geliebten Abbie Hoffmann aus dem Off predigend, dazu Loops von Earles Sohn Patrick, ist wenigstens nicht peinlich. Und wenn Earle ein Lied singt wie „Ellis Unit One“, Beitrag zu – lang ist es her – Tim Robbins‘ Film „Dead Man Walking“, oder „Willin“ mit den Bluegrass Dukes oder „My Uncle“, dann ist er sofort ergreifend. Als Weltbürger verbietet sich Earle den schlichten Folk und drängt zum Eklektischen. Dabei ist er, der unbeugsame Liberale und Störenfried, wahrscheinlich Amerikas größter Heimatsänger.

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