…Takes A Big Ship :: Die Pianistin und Songschreiberin entdeckt den verruchten Blues
Eigentlich geht ja gar nicht, was die in New Orleans lebende Songwriterin da macht: Schlüpft in die Underdog-Rolle à la Tom Waits, dessen Vorliebe für den Dreivierteltakt sie noch überbietet; textet sarkastische Rollenprosa à la Randy Newman (den sie bei „Canadians Are From Canada“ auch als Komponistin beerbt), singt in mehr als nur einem Song bestimmte Töne mit manieriertem Vibrato, als könne sie nicht anders – und stellt gelegentlich auch noch ihre Fähigkeiten als geschulte Klassik-Pianistin unter Beweis. Und doch bringt sie das große Schiff, dass der Titel ihrer vierten CD herbeizitiert, nicht zum Kentern.
Ach ja, einen veritablen Jazzgeiger (Dave Douglas, Stanley Clarke) hat sie auch noch an Bord, der seine Kabine fast nur verlässt, um sich ihrem burlesken Stil anzupassen. Zach Brock spielt sonst mit Stephanies Bassisten Matt Wigton und dem Schlagzeuger Frederick Kennedy als The Magic Number -und das stilistisch so vielfältig wie jeder dieser New Yorker auch auf eigene Rechnung. Warum also ein ganzes Album zwischen Blues aus dem Repertoire von Bessie Smith („Gimme A Pigfoot“), versoffenen Abgesängen auf eine heruntergekommene Welt und ein wenig Marzurka der Marke Chopin?
Weil Stephanie Nilles, obwohl als höhere Tochter gestartet, Beatnikprosa ebenso glaubwürdig rüberbringt wie Barrelhouse-Piano und heiseres Genuschel à la Waits. „I feel just like I wanna clown“, singt sie im Bessie-Blues und verbindet tatsächlich das Archaische mit der überdreht hektischen Gegenwart, die bei ihren Lyrics kräftig eine aufs Dach kriegt, egal ob Occupy-Flachprotest oder Popstar-Narzissmus. Das mit der Rolle der Außenseiterin geht sie zwar manchmal etwas überdeutlich an, aber man traut ihr tatsächlich zu, dass sie durch schlecht besuchte, verrauchte Bars tourt, dort mehr als nur einen zu viel kippt und anschließend im Auto übernachtet.
„What have I ever done but make grown men weep“: Der(un)artiges hört sich bei dieser über Lovesongs fast ganz erhabenen Punkversion von Regina Spektor auch musikalisch zum Heulen gut an, gelegentlich jedenfalls – wenn auch auf Dauer etwas immergleich. (Tradition &Moderne/Indigo)