Temples :: Sun Structures

Vier tolldreiste Engländer katapultieren sich mit ihrem Debüt von den Erdbeerfeldern direkt hinein in die fünfte Dimension

Mit „Shelter Song“ geht’s los, jenem psychedelischen Brummkreisel, der die Lawine ins Rollen gebracht hat. „Take me away to the twilight zone“, heißt es darin, und dort befand man sich schneller als gedacht. Die erst im Sommer vergangenen Jahres von Bassist Tom Warmsley und dem korkenziehergelockten Sänger und Gitarristen James Bagshaw ins Leben gerufene Gruppe hatte den putzmunteren Song bei Bagshaw zu Hause in Kettering aufgenommen und ins Netz gestellt, woraufhin der Plattenvertrag nicht lange auf sich warten ließ. Die dazugehörige Single entwickelte sich innerhalb kürzester Zeit zum gesuchten Sammlerstück für Vinyl-Fetischisten. Die Band wurde für Konzerte gebucht, bevor sie überhaupt eine Band war. Rasch wurden Schlagzeuger Sam Toms und Keyboarder Adam Smith engagiert; die Gründungsphase der Temples darf damit als abgeschlossen gelten.

Zu den Inspirationsquellen des britischen Quartetts zählen die üblichen Verdächtigen: Schriften von Aldous Huxley und Timothy Leary, Filme von Kenneth Anger, die Musik der Byrds und der Beatles zu „Revolver“-Zeiten, der frühen Pink Floyd, der Monkees, von Echo & The Bunnymen oder Todd Rundgren. Es geht also wieder einmal darum, die Pforten der Wahrnehmung zu öffnen und den verflixten neuro­somatischen Schaltkreis zu aktivieren, um im Rhythmus eines multidimensionalen Universums zu tanzen. Nichts leichter als das. Das Debüt-

album der Temples – große Verfechter der zwölfsaitigen Gitarre – lässt die Sterntaler rieseln, schickt bewusstseinserweiternde Harmonie­gesänge gen Himmel und zieht der alten Tante Folkrock ein fesches Batik­kleid über und einen Raumfahrerhelm auf, worin sie überraschend jung und attraktiv aussieht.

Tatsächlich gibt es auf „Sun Structures“ keinen einzigen schlechten Song, nicht mal einen kleinen Durchhänger. Sobald man meint, das Geheimnis dieser melodieseligen und schwelgerischen Musik durchschaut zu haben, kommt die Band mit einer neuen benebelten Sound­idee durchs Wurmloch gereist. Ob heftig stampfend wie in „A Question Isn’t Answered“ oder nahezu schwerelos wie im unmittelbar eingängigen „Keep In The Dark“, das Erinnerungen an den Glamrock von T. Rex wachruft: Abwechslungsreichtum, Wahnwitz und Originalität sind überall. Dass die von Bagshaw selbst mit viel Liebe zum Detail produzierte Platte trotz Vintage-Anmutung niemals gestrig klingt, ist eine Bravourleistung. Schade nur, dass es „Prisms“, die von Flöten heimgesuchte B-Seite der besagten Single, nicht auf das Album geschafft hat. Das zeugt von Selbstbewusstsein. Wer so verschwenderisch mit seinem künstlerischen Output umgehen kann, muss sich um seine Zukunft keine Sorgen machen. Wenn man stattdessen so ein farbenprächtiges, selbstvergessenes und hittaugliches Stück wie „Colours To Life“ im Gepäck hat, dann erst recht nicht.

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