Terry Stamp – Bootlace Johnnie And The Ninety-Nines

Es ist 1974, und in der Kaschemme spielt irgendeine Band, und die Figuren heißen Bootleg Johnnie und Jimmy und Duke of South Redondo, und die Texte sind so lang wie ein Schundroman, und die Stimme ist heiser vom Fusel, der Sänger zetert um sein Leben, das Piano klingt nach Abschied, und das Saxophon bläst letztes Pathos in die Spelunke, die vielleicht Frank’s Cantina heißt.

Terry Stamp singt und spricht diese Lieder, als hätte er ein paar Jahrzehnte unterm Tresen verschlafen. Früher war er bei Third World War, die es nie geschafft haben. Die Gitarre spielt Jim Avery, einst Bassist bei Thunderdap Newman, die es trotz „Something In the Air“ unglaublicherweise auch nie geschafft haben. Stamp hat diese Lieder offenbar über viele Jahre in Los Angeles geschrieben, die Platte erschien im letzten Jahr in England. „Bootlace Johnnie“ ist ein Album für Menschen, denen die letzten Platten von Bruce Springsteen, Tom Waits und Graham Parker nicht gefallen haben. Oder die immer wieder „Closing Time“,“The Wild, The Innocent And The E Street Shuffle“ und „Heat Treatment“ hören.

Terry Stamp hat diese Eigenart, daß seine Lieder ganz, ganz lange einem Höhepunkt zustreben, aber manchmal kommt der Höhepunkt gar nicht, und der Song ist einfach zu Ende. Das Vibraphon perlt, das Saxophon trötet im Hindergrund, das Piano klimpert Storytelling als Immer-weiter-erzählen, als Talking Blues, als Vagabundieren. Das sind natürlich keine Songs, die man im Radio hören kann. Vielleicht sind es überhaupt keine Songs.

Aber hier ist kein Schmus, keine Pose, keine Dramatik mehr. Die Erzählung „Wastelanders“, eine desperate, unsagbar traurige Fahrt durch Frankreich, könnte ewig und drei Tage dauern. Terry Stamp erinnert sich in diesen lakonischen Stücken an ein paar komische Geschichten, die man ohne Refrain erzählen muß, und wird dabei immer elegischer, die Instrumentierung kommt fast zum Stillstand. „Tender Guillotine“, eine Folk-Ballade zum Steinerweichen, endet folgendermaßen: „We kicked their arseholes then/ And well kick their arseholes now.“

Und alle Erinnerungen addieren sich zu nichts.

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