The Avett Brothers :: „I And Love And You“

Für manchen Fan, der den Weg von Scott und Seth Avett schon die letzte Dekade mitgegangen ist, sind die Brüder aus North Carolina nach „I And Love And You“ so gut wie erledigt. Dabei war das Trio (mit Bassist Bob Crawford) selbst dann schon kein Fall mehr für Puristen, als es noch zur großen New-Bluegrass-Hoffnung ausgerufen wurde. Ein vorlautes Banjo macht eben noch keine Genre-Jünger.

Konsequenterweise haben die Avetts dieses Instrument auf ihrem American-Debüt nur in der schlichten Folk-Weise „January Wedding“ nicht auf die Ersatzbank geschickt, während selbst oder auch mal von Benmont Tench gespielte Pianos und Tasteninstrumente deutlich die Führung übernehmen. Welchen Anteil Rick Rubin daran hat, dass sie jetzt oft näher an, sagen wir: Ben Folds denn an Bill Monroe sind, bleibt Spekulation. Doch kann – spätestens seit dem 2007er-Vorgänger „Emotionalism“ – niemand behaupten, diese Häutung käme völlig aus dem Off und wäre nicht Teil einer (Weiter-) Entwicklung.

Die führt die reizvoll harmonierenden Brüder zur erhabenen Elegie, die sie mit dem Titelstück, „Head Full Of Doubt/Road Full Of Promise“, „The Perfect Space“ und „Ill With Want“ groß aufführen. „Ten Thousand Words“ variiert kleinteiliger, doch nicht minder schön, und das bezaubernde „Laundry Room“ hat dann sogar ein Blue-Grass-Finale. Dazu flotter Aha-Beat („Slight Figure Of Speech“) und eine gewohnt charmante Selbstgeißelung als „Tin Man“ (mit Tuba).

Fürs Booklet ließen sie sich in Öl malen, ein ausführliches mission statement von Seth Avett nimmt die Botschaft der Songs vorweg: Wir sind alle nur kleine Sünderlein, die geliebt werden wollen. Egal, wie unverständlich schwer oder bestürzend leicht es uns fällt, die großen drei Worte zu sagen. Ja, die Avetts meinen es ernst mit uns. Da konnten sie auf ein paar frühe Fans wirklich keine Rücksicht nehmen. Womöglich begreifen die ja noch, dass ihre alten Helden nach wie vor ein ganz großes „Kick Drum Heart“ haben. Auch wenn es nur noch selten so losknallt wie in dem gleichnamigen Saloon-Feger. (American/Sony)

Jörg Feyer

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