The Blair Witch Project von Daniel Myrick, Edward Sanchez :: ab 18. November

Das Grauen stand eines Tages im Internet Eine unscheinbare Webside beschäftigte sich mit der alten Legende einer Hexe von Blair, die ihr Unwesen in den Wäldern von Maryland treibt, seit im Februar 1785 eine gewisse Elly Kedwards aus dem Dorf gejagt worden war. Kinder hatten erzählt, jene habe sie in ihr Haus gelockt, um ihnen Blut abzusaugen. 1824 wurde an dem verfluchten Ort die Stadt Burkittsville gegründet, aus der immer wieder Kinder spurlos verschwanden. Die letzten Opfer sind drei Studenten, die am 2L Oktober 1994 für eine Semesterarbeit zu Recherchen über die Blair fVitdt in das Waldgebiet aufbrachen. Monate später erst fand man nur noch ihre Filme, die kürzlich im Kino anliefen. Vorläufiges Ende dieser Hexerei: Die 87-minütige Dokumentation hat in Amerika bisher 140 Millionen Dollar eingespielt Dieses Phänomen des Jahres ist eine wahre Geschichte – je nach der Perspektive, aus der man sie betrachtet. Wahr ist, dass „The Blair Witch Project“ als erstes Märchen seinen Erfolg im schrankenlosen Internet begründet hat, indem Daniel Myrick und Edward Sanchez dort mit akribischer Phantastik an der Mythologie ihrer fiktiven Hexe feilten. So köderten sie erst Tausende Netz-Gläubige und schockten dann die Rechenschieber und Vermarktungs-Strategen des Kinos. Mundpropaganda empfahl sie für das renommierte Sundance-FestivaL Was immer die Filmeinkäufer erwartet hatten: Für verhext hielten viele nur die 14 Millionen Dollar, die der Verleiher Artisan für die Rechte an einen Film gezahlt hat, der 60 000 Dollar gekostet haben solL Auch Burkittsville existiert – und ist zum Unmut der Bewohner nun ein Wallfahrtsort, an dem Fans ein echtes Hexenhaus erwarten. Die zwei haben das Reality-TV konsequent weitergedacht Ihre Schauspieler Headier Donahue, Joshua Leonard und Michael Williams wurden wie Hansel & Gretel in den Wald geschickt, wo sie sich mit einem Hi-8-Camcorder und einer 16-Millimeter-Schwarzweiß-KaLeinwand NEU IM KINOmera gegenseitig filmten. Sie benutzten ihre wirklichen Namen, die auch im Internet kolportiert wurden. Ihnen wurden keine Dialoge vorgegeben und auch kein Drehbuch, nur Instruktionen, die sie wie bei einer Schnitzeljagd durch das herbstliche, klamme Gehölz leiteten. Wenn sich also jene drei falschen Studenten zu verirren beginnen, wussten auch die echten Darsteller nicht, wo sie waren und was ihnen geschah. Voyeuristisch kann man beobachten, wie sie immer gereizter werden, Nervosität sich in Vorwürfen und Aggression entlädt Sie stoßen auf rituelle Zweigbündel und Steinhaufen, nachts hören sie Kinderstimmen, wird an ihrem Zelt gerüttelt Dann ist Joshua weg – und in Fetzen seines Hemdes liegen blutige Zähne. Diese sind das einzige explizite Gruselmotiv. Sonst taumeln die Kameras mit schiefer, unscharfer Surrealität, die Authentizität vermittelt, aber nichts kenntlich macht Auch woher der Terror kommen könnte, bleibt ungeklärt. Hier spukt es im Kopf des Zuschauers, wo Heathers hysterisches Japsen lange nachhallt. Sie habe solche Angst, wimmert sie, ihre Augen zu schließen. So blickt man dem Schrecken wörtlich ins Gesicht. The horror, the horror. Die Abwesenheit formeller Kunstgriffe ist hier selbst der Kunstgriff, und je länger man darüber nachdenkt, desto mehr verliert der schleichende Schock seine Wirkung. Jan De Bonts „Geisterschloss“ täuscht aufwendig das Auge, „The Blair Wheh Project“ narrt schlicht das Unterbewusstsein. Im Antagonismus haben der Fake der Spezialeffekte und das Dogma des Purismus‘ aber etwas gemeinsam: Beide verwischen die Grenzen von Realität und Fiktion. Das paranoide Amerika war immer schon für mystischen Schwurbel empfänglich. Auch in Hollywood liegen die Nerven blank, bedienen paranormale Thriller wie „The Sixth Sense“, „Stigmata“ und „Stir Of Echoes“ nun die Phobie. Und vielleicht steckt ja hinter allem nur wieder Elvis, oliver hüttmann

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