The Byrds – The Essential :: Columbia
Beatles– als auch Stones-Fans dürften mit milder Verwunderung registrieren, was die Liner Notes zu der kürzlich von Sundazed Records veröffentlichten Doppel-LP „The Columbia Singles ’65 – ’67“ ungeniert behaupten. JNo one has ever had a stronger run of Singles than did the Byrds in their prime. No one.“ Zumindest unterfüttern die Hitparaden-Notierungen das nicht. Aber vielleicht meinte der Autor ja auch die schiere kompositorische und musikantische Qualität dieser Singles, die von einem Niveau abhoben, das Lennon/McCartney und Jagger/Richards erst nach Jahren erreichten.
Produzent Terry Melcher erzählt in seinen Liner Notes, dass ihm eines damals völlig wurscht war: high-fideler Wohlklang. Er ließ die Singles mit mindestens so hohem Pegel schneiden wie Art Rupe die seines Schützlings Little Richard und Phil Spector die der seinen. Da war ihm auch völlig egal, wenn Tonabnehmer ob soviel heftiger Modulationen aus der Rille flogen. Hauptsache, die Songs kamen in tollem Sound übers Mittelwellen-Radio.
Die jetzt von der Legacy-Abteilung vorgelegte Doppel-CD „The Essential Byrds“ ist eine gänzlich andere Baustelle. „She Don’t Care About Time“ in der zwei Monate später noch mal aufgenommenen und dann auch auf Single erschienenen Fassung. „It’s All Over Now, Baby Blue“ in dem für „Ballad Of Easy Rider“ produzierten Alternativ-Mix, bei dem McGuinn so weltgeschmerzt sang, dass gestandene Fans die folkrockige Erstaufnahme im unverwechselbaren Byrds-Sound vom Juni 1965 der jederzeit vorziehen dürften. Und „Old John Robertson“ in dem von der „Notorious Byrd Brothers „-Version in puncto Arrangement erheblich abweichenden Single-Mix.
Die restlichen 41 (!) Aufnahmen sind stereophoner und high-fideler Wohlklang pur. Bei denen saßen nämlich immer auch Cracks des Tonmeister-Gewerbes am Mischpult, die – egal, was Terry Melcher da bei den Mono-Singles veranstaltete – sich auf süperbe Stereo-Mixes verstanden. Leise Zweifel werden hier am „Essential“-Anspruch wohl in erster Linie Bewunderer des großen Gene Clark anmelden, von dem man fairerweise ein paar mehr der frühen Aufnahmen mit den Byrds auf der ersten CD hätte unterbringen können.
Für all diese Zweifler hat der australische Oldies-Spezialist Raven Records jetzt „Byrds Parts 2“ (4,0) veröffentlicht. Das ist – im Gegensatz zu manchen letzthin in Mode gekommenen Archiv-Plünderungen – weder Ausschuss noch zweite Wahl, sondern eine Raritäten-Kollektion allererster Güte, angefangen von Aufnahmen, welche die Byrds noch unter dem Band-Namen The Jet Set einspielten, über andere, an denen einzelne Band-Mitglieder beteiligt waren, bis hin zu ganz entlegenen, die etwa Gene Clark komponierte, aber nie selber aufnahm. Roger McGuinn am Banjo bei Judy Collins‘ Version von „Turn, Turn, Turn“. David Crosby, Dino Valentis Hippie-Hymne „Get Together“ singend. McGuinn und Gene Clark, im Konzert Dylans „Knockin‘ On Heaven’s Door“ musizierend. Einzelne Byrds als Gäste der Earl Scruggs Family, Flying Burrito Brothers usw.
Bislang nie veröffentlicht: Gene Clarks Demo von „Why Can’t I Have Her Back Again?“ und das mit Chip Douglas aufgenommene „If I Hang Around“, das beweist: Gleichgültig, wie groß McGuinns (oder auch Crosbys) Ego in den Anfangen war – dieser Mann war das melodische Genie der frühen Byrds. Eine wahre Perle für Kenner auch: die Flying Burrito Brothers, Clarks „Tried So Hard“ ganz wunderbar spielend – mit noch mehr Schmelz gesungen als dessen eigene Fassung mit den Gosdin Brothers.