The Creekdippers – Mystic Theatre
Vor 17 Jahren wurde die Einöde gestört von einem lauten Iren, der Gott und Teufel anrief, die Liebe beschwor und barmte, er könne nicht finden, wonach er suche, und recht eigentlich auch nicht leben. Der Mann nannte sich Bono, und das Album „The Joshua Tree“ war das Fanal katholischer Sinnsuche in unwirtlichen Gegenden. Der Baum und die gleichnamige Landschaft konnten nichts dafür, sie sahen auf Fotos von Anton Corbijn einfach cool aus.
Mark Olson war damals ab Sänger und Gitarrist mit den Jayhawks zugange. Als er die Band einige Jahre später verließ, war auch der Zauber verschwunden. Es fehlte fortan seine Stimme, und die Lieder waren auch nicht mehr so sehnsuchtsvoll und amerikatrunken wie auf „Hollywood Town Hall“. In der Joshua-Wüste baute sich Olson eine Existenz auf, die dem Una-Bomber gefallen hätte. Eine Hütte, eine Gitarre, ein Weib. Die Frau ist übrigens die ehedem bekannte und verehrte Victoria Williams, die wie eine Kräuterhexe zu singen versteht und Olsons altertümliche Lieder bizarr mitgestaltet Diese Songs klingen wie aus der Gründerzeit oder aus Harry Smiths fabelhafter Sammlung von Volksliedern, das Elektrische ist ihnen so fremd wie das Gegenwärtige. Violine und Säge, Klavier und Pedal-Steel-Gitarre ergänzen diese schrundigen Stücke, die in ein hinterwäldlerisches, mystisches Amerika führen, in dem Holz gesammelt und Wasser bevorratet wird, die Vögel einander jagen und die Sonne unbarmherzig vom Himmel scheint Dann knarzt lustig ein Banjo, und Victoria belfert den Blues, und die Freunde klöppeln und fiedeln, und Olson singt vom Wind und von Außerirdischen und Rosen, man versteht es nicht genau.
Es ist Waschbrettmusik wie für Thoreaus „Waiden“ oder Thomas Wolfes „Schau heimwärts, Engel“. Diese Musik kommt von weit her, aus den Gesängen der Pilger und der Provinz des Herzens, aus mündlicher Überlieferung und Großmutters Küche. Olson und seine Creekdippers haben jetzt vier oder fünf solcher besessen nachempfundenen Platten aufgenommen, die zugleich anachronistisch und surreal sind. Es ist wie bei Michael Ciminos Film „Heaven’s Gate“: Aus den liebevoll gearbeiteten Details ersteht eine vergangene Welt. Wenn von Americana die Rede ist, wird man zuerst von Mark Olson sprechen müssen.