The Dead 60s – Time To Take Sides :: Kalonenreduzierter Punkrock mit einer Spur Operetten-Pathos

Den Namen The Dead 60s muss mir bei Gelegenheit mal jemand in Ruhe erklären. Kann es sein, dass sich dieses Quartett aus Liverpool damit von einem anderen, viel bekannteren Quartett aus Liverpool absetzen wollte? Aus Angst vor den Konsequenzen eines symbolischen Vatermords – ein Name wie The Dead Beatles würde einer Liverpooler Band sicher so manches Heimspiel und erst recht den Feierabend versauen – entschied man sich

dann offensichtlich dafür, lieber gleich das ganze Jahrzehnt zu beerdigen: Endlich! Die scheiß Sechziger sind tot! Punk rules! So könnte es doch gewesen sein, oder? Und es wäre ja weiterhin möglich, dass sich die Musiker danach die imaginären Liverpooler Pilzköpfe rasiert haben, um von nun an proletarische Punk-Frisuren zu tragen.

Fast 30 Jahre zu spät, das alles, aber Liverpool war ja nie ein Zentrum der Bewegung. 2005, bei der Veröffentlichung ihres Debüts, sahen die Musiker jedenfalls so grimmig aus wie Gang Of Four in ihren kämpferischsten Tagen. Jetzt, auf dem zweiten Album „Time To Take Sides“, wollen The Dead 60s auch musikalisch Stellung beziehen. Frei nach dem Motto „Sag mir, welche Punkband du verehrst, und ich sage dir, wer du bist“ haben sie sich für die Aufrechtesten aller, haha, Rotznasen entschieden: The Clash. Doch während The Clash manchmal wie Holzhacker durch ihre Songs bolzten – vor allem durch die Reggae-Stücke – aber so eine echte Dringlichkeit, Unmittelbarkeit und Heavyness beschworen, ist das hier eher eine kalorienreduzierte Light-Version, musikalische Dutzend-Ware, siehe auch: Kaiser Chiefs.

Das Punk-Rcvivul. das zeigt diese Platte allzu deutlich, neigt sich gnädig dem Ende zu. Da ist nichts mehr, woran nicht schon andere gierig genagt hätten. Dazu kommt, dass die Stimme von Matt McManamon nicht nur an Joe Strummer erinnert, sondern in den hohen Lagen an das Operetten-Pathos von Jon Bon Jovi. Wer allerdings The Clash und Bon Jovi mag, wird von „Time To Take Sides“ begeistert sein, denn für solche Leute ist dieses Album gemacht. Und das mit dem komischen Namen will ich jetzt auch nicht mehr wissen.

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