The Flaming Lips – At War With The Mystics

Es ist jetzt ungefähr 20 Jahre her, daß mir ein Freund den Flaming Lips-Song „Jesus Shooting Heroin“ vorgespielt hat. Was für ein genial bescheuerter Titel, welch ein grandioser Krach! Zwei oder drei Jahre später folgte das erste Konzert: Bühne und Musiker versanken in einem milchigen Trockeneisnebel, die einzige Lichtquelle war ein hypernervöses Stroboskop und Sänger Wayne Coyne kreischte minutenlang an gegen heulendes Gitarren-Feedback und das Donnern des Schlagzeugs: „Dope! Dope!“ und immer wieder „Dope!“.

Natürlich reicht der Platz hier nicht, um all die exzentrischen Ideen und Songs der letzten zwei Jahrzehnte aufzulisten. Doch die letzten beiden Alben waren mit Sicherheit die eingängigsten, poppigsten und erfolgreichsten in der Karriere des Trios aus Oklahoma. „At War With The Mystics“ bringt nun Wahnsinn und Melodien so gut zusammen wie kein Flaming Lips Album zuvor. Mit dem „Yeah Yeah Yeah Song“ oder dem an frühe Prince-Stücke erinnernden „Free Radicals“ gibt es auch auf „At War With The Mystics“ wieder Lieder zum Niederknien. Irgendwie sind es poppige Punksongs, die im Geist der psychedelischen Sechziger verfaßt wurden. Pop steht hier nicht für einen angepaßten Opportunismus, sondern für Pop-Art im Sinne von Andy Warhol Exploding Plastic Inevitable. Das Populäre ist nur die Form in der überwiegend subversive Inhalte transportiert werden. „Free Radicals“ basiert auf einem Traum, in dem Devendra Banhart (!) einem Selbstmordattentäter so lange gut zuredet, bis der von seinem tödlichen Vorhaben abläßt. Anstatt sich zu freuen, beginnt der geträumte Banhart mit den Beweggründen des Attentäters zu sympathisieren. „Vein Of Stars“ ist dagegen das romantische Grübeln eines Sternenguckers.

Es gibt auch einige reichlich abgedrehte Instrumentals auf dem Album, wie „The Wizard Turns On…“, das klingt, als hätte ein i4Jähriger Computer-Nerd Tangerine Dream und Bootsy Collins zusammengeschraubt. „The Stars Are So Big And I Am So Small… Do I Stand A Chance?“ ist ein weiteres irres Kabinettstück: Angeblich stellte sich Coyne anfangs vor, er würde den Song für Gwen Stefani schreiben und gäbe ihm den Titel „I Like To Masturbate And Think Of Outer Space“. Doch der Gedanke, daß ein 45jähriger Graubart wie er vom Onanieren schwärmt, machte dem Flaming Lips-Sänger dann doch ein wenig Angst.

Das großartige, atmosphärisch melancholische „Mr. Ambulance Driver“ ist um das Heulen einer Krankenwagen-Sirene gebaut, und „Pompeii AM Götterdämmerung“ verwurstet tatsächlich die deutsche Nationalhymne. Klingt aber sehr hübsch dabei. Nur ganz große Künstler sind zu solchem Wahnsinn fähig.

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