The Grateful Dead
Wake Of The Flood
Rhino / Warner VÖ: 28.04.2006
Zehn Studio-Alben der 70er und 80er Jahre, remastered und jeweils mit reichlich Bonus-Tracks gepolstert - nur zum Teil an die beste Zeit der Grateful Dead anknüpfend
Über die Jahre brachten es dann auch die besten Platten der Grateful Dead – die wohl doch in einem Anfall von beispiellosem kreativem Höhenflug entstandenen Garcia/Hunter-Kompositionen auf „American Beauty“ und „Workingman’s Dead“ – zu Millionenseller-Status. Aber Popstars (auf Abruf, aber immerhin) wurden die Grateful Dead erstmals gut 20 Jahre nach Gründung der Band dank einer Single, die das Album dann auch in die Top Ten katapultierte. Ein einziges Mal widerfuhr ihnen dasselbe Schicksal wie viele Jahre zuvor den Allman Brothers mit „Ramblin Man“. Was auch den besten Songs der Post-Warner Bros.-Ära – ein paar davon durchaus mit Hit-Potenzial – nicht vergönnt war, schaffte 1987 diese Hymne aufs Überleben. Das radiofreundliche Lied mit dem immer wiederholten „We will get by, we will survive“-Refrain hatte nicht dieselbe Klasse wie „Stella Blue“, „China Doll“ und andere Hunter/Garcia-Elegien der 70er Jahre. Nach der ebenfalls knapp sechsminütigen, im Studio mitgeschnittenen Probenfassung, die jetzt einer von sechs Bonus-Tracks auf der Remaster-Edition von „In The Dark“ (3,0) ist, fragt man sich immer noch, wie irgendwer jemals auf die Idee kommen konnte, „Touch Of Grey“ sollte man dank richtigem Ohrwurm-Potenzial als Single ausprobieren. Da hätte man blind eher auf „West L. A. Fadeaway“ oder die höchst melodische und hübsch countryrockige Ballade „Black Muddy River“ getippt.
Tonnenweise Bonus-Tracks gibt es jetzt im Übrigen- knapp 70! – auch auf den anderen nun klangtechnisch generalrenovierten Platten dieser Jahre. Und zwar nicht nur handverlesene exzellente Live-Mitschnitte, wie zu erwarten, sondern richtig professionell aufgenommene Akustik-Demos (die knapp 13minütige „Weather Report Suite“ auf „Wate OfThe Flood“) oder Früh-Fassungen („China Doll“ auf demselben Album). Auch die Outtakcs und Demos auf „From Th eMars Hotel“(3,0) belegen:
Wenn sie schon mal ins Studio ging, hatte diese Band keine Lust, dort unnötig Zeit zu verplempern. Zunächst brachte man sich offenbar bei Jam-Sessions (rein improvisierte Instrumentals) in Spiellaune, wie Kostproben auf „Blues For Allah“ (3,0) nahelegen. Von Produzenten, die sie irgendwie auf Erfolgskurs trimmen könnten, wollten sie da immer noch nichts wissen. Um so kurioser ist, dass genau diese LP ihnen die bislang höchste Hitparaden-Notierung (Platz 12) brachte. Tonmann Dan Healy, ein As in seinem Fach, anders gesagt: ein Tonmeister buchstäblich, sorgte hier für reichlich Wohlklang. Bei „Terrapin Station“ (3,0) diktierte Erfolgsproduzent Keith Olson den Gang der Dinge weit mehr. Nicht, dass der seine Kunden auf Mainstream a la Fleetwood Mac getrimmt hätte, im Gegenteil. Aber das Art-Rock-Geschmäckle der Suite, die der LP den Titel gab, war auch nicht unbedingt der Stoff für feuchte Träume von Dead Heads. Das in Disco-Terrain abdriftende „Shakedown Street“ (1,5) schon gar nicht. Das war, nominell zumindest, von Lowell George produziert, der als Leadsänger beim Outtake des Rascals-Klassikers „Good Lovin'“ zu hören ist. Wie in den Liner Notes nachzulesen, fuhr damals Schlagzeuger Mickey Hart stundenlang über zwei Staatsgrenzen, um ein Kino zu finden, in dem er dem Kollegen Garcia endlich auch „Saturday Night Fever“ zeigen wollte. Zurück im Hotel, übten beide dann: wie man John Travolta imitiert. Eine irre Vorstellung, wenn man Garcia kennt und sich diese Szene ausmalt.
Bei „Go To Heaven“ (3,5) konnte es für die Band nur aufwärts gehen. Steil. Ab und an kam da allerdings doch erheblicher Mainstream-Verdacht auf. Dem man dann mit diversen Live-Mitschnitten den Boden zu entziehen suchte, nämlich mit „Reckoning“ (3,5) und „Dead Set“{4,0).Jede Menge Zugaben auf denselben steigern jetzt den Repertoire wert der Remaster-Ausgaben denn doch um einiges! Den von „Built To Last“ (2,5) eher wenig. Es ist sicher sehr freundlich gemeint, wenn der Autor der Liner Notes als vornehmste Qualität der Songs die These aufstellt, sie seien „intriguing“. Laut Langenscheidt also „fesselnd. Faszinierend. Interessant. Verblüffend“. Letzteres aber gemessen an früheren Platten sicher nicht.