The Hidden Cameras

The Smell Of Our Own

Rough Trade

Perlende Melodien über Homoerotisches-zum Glück ganz ohne Humor

Ein unglaubliches Glück, dass die Hidden Cameras aus Toronto so wenig Humor haben. Die Band gibt sich immerhin das Erscheinungsbild eines 13-köpfigen Priesterseminar-Orchesters, wirft bei Konzerten die Texte mit dem Tageslichtprojektor an die Wand, hat ein Männerballett dabei, singt zu perlenden Melodien über Analverkehr und die Homo-Ehe (sie erwähnen diese Sachen nicht nur, sie verhandeln sie als echte Themen). Aber wenn das witzig sein sollte wie der Nonnen-Can-Can im Film „Der Sinn des Lebens“, dann wäre „The Smell Of Our Own „eine scheußliche Platte.

Es ist nicht witzig gemeint. Natürlich fand ich es trotzdem erstmal witzig, aber das hat einen ganz anderen Grund, der gleichzeitig ein Grund dafür ist, dass diese Platte einzigartig dasteht: So selbstverständlich wie Cameras-Chef Joel Gibb hat nie ein Popmusiker übers Schwulsein gesungen. Die homoerotischen Szenen bei Morrissey blieben im Schatten, Tom Robinson (lange her) war ein Missionar. Joel Gibb ist ein Engel. Der Erzengel in einem riesigen Krippenspiel mit mehrmanualiger Orgel, Harfe, Geigen, Marimbas, Chor und einer Kirchentags-Gitarre. Mit dem echten Klatschen vieler, vieler Hände. Seine Lieder flattern auf wie junge Vögel am Ostermorgen, richten sich zur Sonne hoch wie prall werdende Blumen – hucli. die Metapher kommt schnell bei einer Platte, die vor allem von Sex, Körpern und ihren Sekreten handelt (der Album-Titel!).

Der düsterste Song heißt „Day Is Dawning“, obwohl Joel Gibb (während der Gospelchor immer „Hamm!“ macht) freundlich und jesusbärtig wie ein Schnulzenstar singt: „My body breathes as crushed by an army, but I enjoy how it feels“, es geht um die an sich ausgelutschte Analogie zwischen Liebe und Tod, zu der man mit den Texten der Hidden Cameras sein Zitatenbüchlein reich nachfüllen kann. Gibb kritisiert anderswo, dass die Ehe dem homosexuellen Leben die Coolness raubt, aber seine Band tut genau das. Und es ist sehr gut.

In „The Man That I Am With My Man“ lehnt er sich (etwas pathetisch) an „Der Herr ist mein Hirte“ an, singt zum Streichquartett über die Freude daran, den Partner beim Duschen anzupinkeln. Alle, denen ich das erzählt habe, ekelten sich. Bis sie das himmlische Lied hörten.

„Boys of melody/ And they’ll follow me/ And I’ll sing harmony“ – die Zeit der Tuntenclowns ist jetzt vorbei.