The Long Blondes – Someone To Drive You Home

Mach das lauter! Ja, noch mehr! Wo kommen die her, Sheffield? Kann man hören. Londoner oder New Yorker würden viel affektierter und künstlicher klingen. Andererseits: drei Mädchen, zwei Jungs, die alle unglaublich gut aussehen und angezogen sind als würden sie in einer hippen Second-Hand-Boutique arbeiten, was sie zum Teil auch tun. Klar, dass da nicht nur der „NME“ durchdreht.

Wann hat man so einen wunderbar schlechtgelaunten Teenager-Pop zum letzten mal gehört? Auf „Playing With A Different Sex“ von den Au-Pairs? Oder muss man sogar bis in die Beatkeller der Sechziger hinabsteigen, wo gutfrisierte junge Phil-Spector-Fans ihrem proletarischen Alltag ein paar positive Seiten abtrotzten, mit Songs, die krachten und schepperten, aber dabei so mitreißend und melodisch klangen wie ein tiefempfundenes Stoßgebet zum Himmel: „Edie Sedgwick, Anna Karenina, Arlene Dahl. I just want to be a sweetheart“, singt die göttliche Kate Jackson, die aufregendste Neuentdeckung dieses Jahres, in „Lust In The Movies“. Und: „I’ve got this rattling in my chest. My doctor said that I should give it up because I’m clinically obsessed.“

Wer letztes Jahr zu Art Brut kreischte und sich begeistert die Haare raufte, wird ohne „Someone To Drive You Home“ nicht mehr leben können. Kate Jackson, die zusammen mit Gitarrist Dorian Cox die meisten Songs schreibt, singt wie eine Mischung aus Debbie Harry, Chrissie Hynde und Dusty Springneid, also dunkel und fraulich. Man traut ihr merkwürdige Obsessionen zu, aber auch die Durchsetzungskraft einer britischen Hausfrau. Überhaupt balancieren die Songs immer auf dem schmalen Grat zwischen dem Traum vom Glamour – der hier eher Warhols „Ciao! Manhattan“ entspricht oder einem Melodram aus dem Hollywood der Fünfziger und Sechziger – und einer präzisen Beschreibung der alltäglichen Realität: „Nineteen, you’re only nineteen, for God’s sake. Oh, you don’t need a boyfriend“, versucht eine überforderte Mutter in „Once And Never Again“ ihrer Tochter den Liebeskummer auszureden. Doch das Mädchen hat sich bereits an den Pulsadern herumgeschnippelt, und die hilflose Mutter spürt die Unmöglichkeit einer Verständigung zwischen den Generationen: „I know how it feels to be your age….“

Musikalisch wird das alles mit ungeheurer Rasanz, Vehemenz und Dringlichkeit vorgetragen. Viele werden jetzt sagen: Pulp-Bassist Steve Mackey und Erol Alkan haben die neuen Franz Ferdinand produziert. Doch das wäre ungerecht, denn die Long Blondes sind viel besser.

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