The National

„First Two Pages Of Frankenstein“ – Zaghafte Variationen

4AD/Beggars (VÖ: 28.4.)

Wird die große Band müde? Die fünf Indie-Helden treten effektvoll auf der Stelle.

Matt Berninger ist immer ein wenig durcheinander. Er stolpert durchs Leben, die Haare zerzaust, ein bisschen deprimiert, ein bisschen horny, er hat Bücher gelesen, der Rücken tut ihm weh, er schreibt Gedichte in sein Notizheft. Der Anglistik-Professor, der etwas mit einer Studentin anfängt. Das ist Berningers Persona, seit The National in den frühen Nullerjahren zu Darlings der Musikpresse wurden. Aus der Verbindung von Berningers Bariton, dem kunstvollen Kammer-Indie-Rock der Brüder Dessner und der treibenden Rhythmusgruppe der Gebrüder Devendorf entstanden große Alben wie „Alligator“, „Boxer“ und „High Violet“.

Es ergibt sich kein reizvolles Ganzes

Nun also die erste The-National-Platte seit vier Jahren, die erste, seit Aaron Dessner durch seine Arbeit mit Taylor Swift ein Blockbuster-Produzent geworden ist. Und sie enttäuscht. Es gibt zaghafte Variationen zum vertrauten Sound: weniger elektrische Gitarren, weniger Wärme, mehr digitale Klarheit in der Produktion, mehr herumflirrende Drum Machines. Aber „First Two Pages Of Frankenstein“ ist kein wirklich starkes Album. Die Arbeit war offenbar sehr beschwerlich, Berninger durch eine depressive Episode blockiert. In der Erzählung der Band ist die Platte der letztliche Triumph über diese widrigen Umstände.

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Dabei klingt sie vielmehr wie deren Ausdruck. Berninger wirkt müde, sein Songwriting ist zwar mitunter die pointierte Innenansicht einer Depression („This Isn’t Helping“, „Ice Machines“), häufiger aber unkonzentriert und fast etwas beliebig. Er reiht Beichten und Bilder aneinander in der Hoffnung, Bedeutung zu schaffen. Doch es ergibt sich kein reizvolles Ganzes.

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Auch Dessner tut dieser Platte keinen Gefallen. Seine glatte, klinische Soundästhetik nimmt den Songs, was sie an Kraft haben, und selbst ein dramatisches, verzerrtes Crescendo, das bei Konzerten bestimmt stark wirkt, verpufft auf dem Album eher („Eucalyptus“). Dessner filtert die Instrumente – auch Berningers Stimme, das wertvollste Instrument von The National – durch flachende Effektgeräte. Hier spielt keine Band zusammen, hier spielen fünf Leute nebeneinander. Taylor Swift und Phoebe Bridgers reihen sich mit Gastauftritten unauffällig ein. Aber dann, der letzte Song, „Send For Me“, ist wirklich gut.