The Pogues – Rum, Sodomy & The Lash/Red Roses For Me/If I Should Fall From Grace With God/Peace & Love
In allen Legenden von heiligen Trinkern, die man sich so erzählt, machte der aus „Leaving Las Vegas“ für meine Begriffe zumindest eine bessere Figur als der Sänger der Pogues. Liebe, Suff und Tod sind die Eckpunkte in diesen Legenden. In den Liedern von Shane MacGowan manchmal auch, nicht notwendigerweise in dieser Reihenfolge.
Das Debüt „Red Roses For Me“ (3,5) wurde die Blaupause für vieles, was folgte: eine Mischung aus Eigenkompositionen, Instrumentals und den mit dieser gewissen nonchalanten, auch schon mal recht aufgesetzt wirkenden Prolo-Attitüde gesungenen Traditionais. (In Amerika ging das als Punk-Folk durch.) „Dark Streets Of London“ war das eine Statement, das man als MacGowans Programm verstehen konnte. „Down In The Ground Where The Dead Men Go“ das andere. Der beste Song allerdings, der hier auch ganz aus dem Rahmen fiel, war die Adaption von Brendan Behans „The Auld Triangle“. Die ernstzunehmende Andeutung, dass dieser Band Vorstellungen von Größe doch nicht fremd waren. Unter den sechs Bonus-Tracks der Remaster-Ausgabe von „Red Roses For Me“ jetzt eine frühe Aufnahme von „And The Band Played Waltzing Matilda“.
Die bessere, ihre definitive Version veröffentlichte die Band auf dem nächsten Album. Das war auch die entschieden ehrgeizigere Song-Kollektion, für die Mac-Gowan einige seiner besten Stücke überhaupt komponiert hatte, nicht zuletzt „A Pair Of Brown Eyes“, bei dem er ausnahmsweise sogar die meisten Noten korrekt traf. Da muss ihm Produzent Elvis Costello wohl doch gelegentlich erklärt haben, dass man das von einem Sänger normalerweise eigentlich schon erwartet. Daran hielt er sich brav auch bei seinem Vortrag des Folk-Klassikers „Dirty Old Town“. Das sang Rod Stewart bei seinem Debüt zwar ungleich herzergreifender. Aber dieser proletarische Charme, mit dem Mac-Gowan das singt, hat was – meinte später jedenfalls auch Komponist Ewan McColL Das liederlich runtergesungene „Jesse James“ muss man allerdings wirklich nicht mögen.
Man hätte gut daran getan, Cait O’Riordan öfter Gelegenheit einzuräumen, ihres Sangeskunst zu beweisen, aber dazu konnten sich die mit ihrem Suffkopp-Image flirtenden Band-Mitglieder – die LP-Rückseite sprach Bände – nicht durchringen. Neue Liner Notes von Tom Waits, der die Band als „a drunk Clancy Brothers“ betrachtete und richtig nett fand, dass die schon immer während der Aufnahmen und nicht erst nachher fleißig hochprozentigen Getränken zusprach.
Trotzdem gelang ihnen mit der dritten noch eine allerletzte hochkarätige Platte, nämlich „If I Should Fall From Grace With God“ (4). Der im Duett mit Kirsty McColl gesungene Ohrwurm „Fairytale Of New York“ hatte ungefähr die Klasse von Lennons „Happy Xmas (War Is Over)“. Mit mehr stromlinienförmiger Produktion sorgte Steve Lillywhite dafür, dass Songs wie „The Broad Majestic Shannon“ verkable Folk-Evergreens wurden, und auch beim erneuten Hören – und nicht zuletzt auf Basis der Bonus-Tracks! fühlt man sich in der Auffassung bestätigt, dass MacGowan damals (aus welchen Gründen auch immer) einen Quantensprung als Songschreiber gemacht hatte. Für diesmal.
Denn danach betrachtete er Kampftrinken anscheinend als Beruf und wahre Berufung. Wie er sich zwei Jahre später auf“Peace & Love“ (2) knapp drei Minuten lang durch „Cotton Fields“ knurrt und gurgelt, ist schon peinlich anzuhören. Auf einigen Fotos der Inlay Card hier sieht er wie der letzte Penner aus. Das mag lustig finden, wer will, weil ja stilisiert. Aber da und auf späteren Pogues-Platten -jetzt alle remastered vorliegend – noch ein paar vergleichbar gute Aufnahmen wie auf den frühen aufzuspüren, erfordert reichlich Geduld.