The Style Council – Our Favourite Shop
Einerseits gingen sie gern luxuriös shoppen, andererseits hielten sie zu den Bergarbeitern, die gegen Thatcher kämpften. Einerseits kaufte Paul Weller ein Studio in Marble Arch, in dem noch der Geist Scott Walkers spukte, andererseits verkaufte er dann das alte Mischpult (um bei der nächsten Platte „wie alle anderen“ zu klingen, so Weller). Einerseits wollte er nicht mehr der Sprecher seiner Generation sein, andererseits verfasste er ein feuriges Pamphlet nach dem anderen: „Shout To The Top“, „Come To Milton Keynes“, „Walls Come Tumbling Down“, „Internationalists“, „A Stones Throw Away“. Apartheid, Rassismus, Thatcherismus, Ghetto-Sozialbau, Streichung sozialer Subventionen, die Verarmung des Proletariats – Weller schrieb über jeden Problemherd, ließ sogar den jugendlichen Trommler Steve White einen Text zur jubilierenden Bläser-Salsa „With Everything To Lose“ verfassen. Mick Talbot, der Mann an den Tasten, gibt allerdings zu, dass sie bei der Frage nach Nordirland keine Meinung hatten. Gibt auch kein Lied dazu.
„Our Favourite Shop“ war 1985 reinster Salon-Sozialismus, blindwütig, euphorisch, jugendbewegt, unreflektiert und brillant. Den Shop hatte der Grafiker Simon Halfen aufgebaut mit Artefakten aus den Sammlungen von Talbot und Weller aus seinem eigenen Besitz. Michael Caine war zu sehen, „Another Country“, die Beatles natürlich, Motown, Herbie Hancock, Alain Delon, Hosenträger, Schals, der Eiffel-Turm – und Schuhe, denn sie liebten Schuhe. Und sie liebten die Gerechtigkeit. Weller, der heute einen halben Kasten Bier an einem Abend wegtrinkt, rührte keinen Alkohol an und ernährte sich vegetarisch.
Was heute ein Witz wäre, hatte damals den unwiderstehlichen Schwung der richtigen Melodien zur richtigen Zeit. Das Style Council hatte womöglich doch mehr Hits als Spandau Ballet, wenn man alles zusammenzählt, und bis zu „Our Favourite Shop“ hatten sie auch die Presse auf ihrer Seite. Bei „The Cost Of Loving“ war dann schon alles vorbei. Weller in Dee C.Lee verliebt und schmachtenden, schwärmerischen Soul schreibend. Zwei, drei Sommer lang aber war die Idee des Konzils, war die Reminiszenz an R&B, Motown, Philly und Jazz-Instrumentals cool. Capuccino Kid schrieb diese etwas vage poetischen Liner Notes, die das Dämmern einer neuen Zeit ankündigten, und ein Zitat von Oscar Wilde war auch immer zur Hand.
Natürlich ist „Homebreakers“ saurer Kitsch (aber die Orgel, der Bass, die Bläser!) und „A Stones Throw Away“ schmalzig (aber das Arrangement!) und „Down In The Seine“ unglaubliches Chanson-Gitanes-Baguette-Musette-Pseudo-Französisch (aber die Melodie!), und ganz schlimm sind diese Remixes von „The Lodgers“ und das Lied „Ghosts Of Dachau und das nervige, quietschige „Soul Deep“ – das wie Michael Jackson mit Vanilla Ice klingt – auf der zusätzlichen CD. Die Live-Versionen von „You’re The Best Thing“ und „Money Go Round“ gehören nicht einmal ins Umfeld dieser Platte. „Shout To The Top“ (auch in der Instrumental-Version), das an „Walls Come Tumbling Down“ gehängt wurde, dagegen wohl. Auch die wenigen Demos belegen, dass Weller damals kaum ein Song misslang. Das ätzende „Come To Milton Keynes“ (Weller hatte die Trabantenstadt nie betreten), das die Stadtväter erboste, ist eine wunderbare Song-Satire mit ausladenden Streichersätzen und den Versen „In our paradise lost we’ll be finding our sanity/ May I slash my wrists tonight?“ Der zarte Nekrolog auf den Schulfreund Dave Waller, „A Man Of Great Promise“, und so bittersüße Stücke wie „All Gone Away“ und „Luck“ sind (auch!) fabelhafter Pop.
Und es ist dieser Enthusiasmus in schnieken Regenmänteln und mit akkuraten Scheiteln, der seinen Charme so behalten hat wie „A Hard Day’s Night“. Wenn Talbot seine Orgel anwirft und auf dem Klavier klimpert, wenn Steve White auf die Pauke haut und Dee C. Lee die Schubidus singt und Weller den Verfall des alten Britannien beklagt, wie man es aus „Der Doktor und das liebe Vieh“ kennt – dann glaubt man wieder jedes Wort.