The Style Council :: The Complete Adventures Of The Style Council: Paul Wellers Boutique

Da war dieses Mädchen, das im Globe Theatre auf Paul Weller zuging und bekannte: „‚Down In The Seine‘ hat mir das Leben gerettet!“ Andere verdanken ihr Überleben „Long Hot Summer“ und „Boy Who Cried Wolf“. In der Redaktion zehren sie von „Homebreakers“ und „My Ever Changing Moods“. Paul Weller: Einst war er Gott, zwischendurch rief man ihn Judas, heute ist er Eric Clapton. Der Modfather, der Oasis und Blur verschuldete – der Dad in Dadrock. Nebenbei war er auch noch Englands musikalischster Sozialist: Mit Billy Bragg initiierte er Red Wedge, eine britische Künstlervereinigung, die die Trommel für Neu Kinnock rührte, der womöglich der bessere Tony Blair geworden wäre.

Weller hatte Humor, doch wenn er heute seine besten Solo-Abenteuer „Modern Classics“ nennt, meint er das, was früher tongue-in-check gewesen wäre, absolut bierernst (mit mittlerweile besonderer Betonung auf „Bier“!).

Herrje, war das Geschrei damals groß, als eben dieser Weller The Jam, die wichtigste Band, die jene Punk & Wave-Explosion in England hinterlassen hatte, auflöste und sich mit dem unbekannten Tastentiger Mick Talbot als The Style Council auf weitaus experimentellere Pfade begab! Viele haben ihm das sogar bis heute nicht verziehen (dabei war Weller mit Style Council politischer denn je, der „Trans-Global-Express“ von Jam fand später in „Internationalists“ seine Fortsetzung, seine schwarzweißen Sichtweisen wurden immer vielfarbiger). Von der Carnaby Street verzog er sich in die Soho Brasserie und schlürfte Cappuccino. Seither wissen wir, daß der Euro kommt!

Alles, was er fortan tat, wurde argusäugig beobachtet – und es folgte mehr Geschrei. „Café Bleu“, das Debüt, ein Konzeptalbum! Fünf Instrumentalstücke! Bei zwei weiteren Songs versuchte man vergebens, Wellers Stimme herauszuhören! Nie wieder Rock: Paule wollte Mood Music machen, Jazz gar, wollte Soul-Klassiker schreiben, wollte die Small Faces mit dem Modern Jazz Quartet fusionieren. Erst wollte er Franzose sein, dann Europäer, nachdem er mit Jam so urenglisch wie nur überhaupt möglich gewesen war. Das „Orange Album“ (auch bekannt als „The Cost Of Loving“) war nicht der versprochene moderne Soul, Weller turtelte zuviel mit Dee C. Lee und überließ ihr zuviele Gesangsparts. Mancher Rezensent entschlummerte vor Ende der Platte.

Weller ließ sich nicht beirren: Auf „Confessions Of A Pop Group“ erfolgte die Anmaßung schlechthin: Fake-KJassik! Er faselte von Debussy und nannte seine Stücke „Piano Paintings*. Als er sich schließlich auch noch Garage und Add House annahm, streikte die Plattenfirma. „Modemism: A New Decade“ wurde nie veröffentlicht. Vorkommnisse, über die man schmunzeln muß, alldieweil Weller einen mit Belanglosigkeiten wie „Brand New Start“ piesackt.

Diese 5-CD-Box beweist einmal mehr und eindeutig: Trotz all dieser Irritationen war die Zeit mit den Councillors Wellers beste und kreativste, und wir verdanken ihr Klassiker satt. Bruder Talbot ging’s auch gut: Seine Instrumentals nahmen die Add-Jazz-Welle schon mal vorweg. Fakten, Fakten, Fakten: Die 5 CDs machen 90 Songs aus – und davon sind 6 zum ersten Mal auf CD erhältlich. Das House-Album wird uns schlußendlich zugänglich gemacht, ein 112seitiges Begleitbuch schildert, reich bebildert, die Chronik von 1983 bis 1990. Selbstredend schrieb noch einmal Busenfreund Paolo Hewitt (der legendäre Liner-Notes-Lieferant „The Cappuccino Kid“).

Wir können die Versionen von „My Ever Changing Moods“, „The Paris Match“ und „Headstart For Happiness“ vergleichen und bestätigen, daß „Our Favourite Shop“ eine der besten Platten der 80er Jahre war, und wir seufzen beim Text von „Wanted“: „But when I try to speak/ My tongue gets weak/ I’m still the lonely man I am.“ 90 modern classics. Und das ist absolut ernst gemeint.

Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates