Thees Uhlmann #2 :: Wenn diese Lieder bloß nicht so verdammt anhänglich wären. Dann könnte man einfach schreiben: Nettes Album, Thees Uhlmann, weitermachen -und müsste jetzt hier nicht zugeben, dass einen manche Stücke von „#2“ lange nicht mehr loslassen. Dabei sind es doch eigentlich die Kollegen von Kettcar, die für Rührung zuständig sind, und all diese anderen Hamburger Bands, die den Kopf bedienen. Muss man jetzt auch noch Uhlmann gut finden, obwohl man es jahrelang geschafft hat, sich von Tomte fernzuhalten? Zugegeben, schon sein Solodebüt von 2011 war eine gute Idee: Für seine Version von Springsteen-Rock ließ er alle Handbremsen los und die langgezogenen Vokale, die bei Tomte manchmal so anstrengend waren, hinter sich. „Zum Laichen und Sterben ziehen die Lachse den Fluss hinauf“ wurde gegen jede Wahrscheinlichkeit (allein der Titel!) zum Hit, das Album erreichte Platz 4 der deutschen Charts. Aber „#2“ geht noch einen Schritt weiter, mit heftigen Bildern und mutigen Geschichten.
Uhlmann singt von der langen Reise der „Zugvögel“, untermalt mit einer schönen The-Edge-artigen Gitarre, und einem Tag im Jahr, der ist wie jeder andere und dann eben doch nicht. Bei „Am 7. März“ kommen Muttern und Rudi Dutschke, Ivan Lendl und Bret Easton Ellis zusammen, und das ist noch längst nicht alles. Die völlige Beliebigkeit des Schicksals, so kann man sie vielleicht aushalten. Manchmal wird einem allerdings auch ganz komisch im Kopf, weil man nicht mehr weiß, worum es hier eigentlich geht. „Die Bomben meiner Stadt“ ist so ein Song, der von der Apokalypse handelt, aber auch von der richtigen Jeans, falscher Nostalgie und Bob Dylan. Oder so. Mit „Whoa-whoa-whoa“ und trotzdem ohne falsches Pathos. „Im Sommer nach dem Krieg“ ist dagegen eine überraschend heimelige Untergangsvision mit Piano, „Es brennt“ ein romantischer Rettungsversuch.
Und das ist erst der erste Teil dieses Albums! Produzent und Gitarrist Tobias Kuhn gab angeblich die Losung aus, es dürfe nur ein Liebeslied und eines über das Fehlen von Liebe geben, der Rest müsse diesmal anders aussehen. Uhlmann hielt sich daran. „Zerschmettert in Stücke“ lässt uns Wien in neuem Licht sehen, das somnambule „Kaffee &Wein“ betäubt einen fast, mit „Ich gebe auf mein Licht“ geht’s zum letzten Laternenzug. Und in „Weiße Knöchel“ folgt Uhlmann einem SPD-Mann auf Wahlkampftour durch die Provinz -und man erschaudert fast, wenn er so schön schludrig singt: „In der Reihenhaussiedlung am Rande der Stadt/Hat er Dinge gesehen, die kein anderer gesehen hat …“ Das kleine Leben, ganz groß.(Grand Hotel van Cleef) BIRGIT FUSS