This Wheel’s On Fire :: In seinen Memoiren schildert Levon Helm wunderliche Begebenheiten, lässt aber auch die bitteren Momente und seine Feindschaft zum The-Band-Kollegen Robbie Robertson nicht aus
Letzter Walzer
von Levon Helm mit Stephen Davis
Als Chuck Berry auf die klaffenden Lücken in seinen Memoiren angesprochen wurde, bäffte er, ein Buch sei schließlich keine Beichte. Auch Levon Helms Rückschau auf Erlebtes ist selektiv und liest sich stellenweise wie eine Aneinanderreihung von Anekdoten, doch hagelte es nach der Veröffentlichung 1993 keine Gegendarstellungen wie nach Berrys Machwerk. Nicht einmal Robbie Robertson, mit dem Helm eine lange gemeinsame Wegstrecke und eine zunehmend herzliche Feindschaft verband, und der in Helms Erinnerungen als berechnender Egotripper ein denkbar mieses Bild abgibt, legte Einspruch ein, was die Darstellung der Geschehnisse betrifft. So wurde die „Levon Helm And The Story Of The Band“ untertitelte Autobiografie seither mehrmals neu aufgelegt, ohne dass Änderungen vonnöten gewesen wären. Und da Levon Helm im April 2012 starb, ist auch nicht mehr an Aktualisierungen zu denken.
Helm wurde 1940 in Arkansas geboren und früh mit Live-Musik verwöhnt. Mit sechs sah er Bill Monroe & His Blue Grass Boys, mit zehn Sonny Boy Williamson, mit vierzehn den jungen Elvis Presley. Unauslöschlich habe sich das in sein Hirn eingebrannt und seinen Wunsch, Musiker zu werden, übermächtig werden lassen. 1957 wurde er von Ronnie Hawkins als Drummer seiner Hawks verpflichtet, ein paar Jahre später machte sich die Backing Band selbstständig, nannte sich nun Levon Helm & The Hawks. Als Bob Dylan 1965 nach einem London-Trip beschloss, ebenfalls elektrisch verstärkt aufzutreten, fiel seine Wahl auf „the greatest band in the world“, wie er einem unbeeindruckten Keith Richards mitteilte. Die Stones, so wird Dylan zitiert, seien „the best philosophers“, die Hawks aber „the best band“. The Band eben. Es sind nicht zuletzt solche wunderlichen Begebenheiten am Rande, die Helms ohnehin plaudernd vagabundierende Prosa zum Lesevergnügen machen. Bitter hingegen ist das Kapitel über die Umstände des von Scorsese verfilmten Farewell-Konzerts „The Last Waltz“. Wie und warum es Fiesling Robertson gelang, Neil Diamond ins Programm zu hieven, obschon da – anders als bei allen anderen illustren Gästen der Gala – keine Verbindung zu The Band bestand, ist so interessant wie der Umstand, dass nicht allzu viel „live“ ist an der Live-Konserve: die Spur mit Helms Schlagzeug soll die einzige sein, die unbearbeitet blieb. (Plexus, ca. 25 Euro)
Wolfgang Haberl
Akademische Gründlichkeit ist Haberls Fleißarbeit ebenso wenig abzusprechen wie Distanz zum Thema. Das beginnt bei der steifen Sprache und endet nicht im Orkus etlicher hundert Fußnoten. Schade, denn Aufbau und Analyse sind in sich schlüssig, Patti Smiths wichtigste Inspirationsfiguren werden vorgestellt, das Werk der Künstlerin wird auch wirkungsgeschichtlich beleuchtet. Ein Index fehlt. (Südwestbuch, 13 Euro)
Altman/De Fabianis
Die Diskrepanz zwischen der haptischen Wertigkeit dieser Schwarte und der Schludrigkeit des Begleittextes ist enorm. Viele sehenswerte Fotos, gutes Papier, stabiler Einband: so weit, so gut. Billy J. Altmans ohnehin recht belangloser Text scheint allerdings von einem Computerprogramm eingedeutscht worden zu sein, am Lektorat hat man offenbar gespart. Das macht immerhin häufig schmunzeln. „Wyman war 1936 in Bill Perks, London, geboren“, erfahren wir und „psychodelisch“ muss die Schnittmenge von Psychedelia und Hitchcock sein. (White Star, 30 Euro)
Hermann Anschlag
Secondhand-Läden florieren und Plattenbörsen haben Zulauf, kurzum: die Spezies der Plattensammler, vor zehn Jahren angeblich noch vom Aussterben bedroht, vermehrt sich wieder. Und da es sich primär um junge Leute handelt, die für Nachfrage sorgen, dürfte dieser Band auf reges Interesse stoßen. Anschlag zeigt „200 der schönsten deutschen Single-Covers“ von den Everly Brothers bis Chris Isaak in farbigen Bildern und erläutert sein Faible in persönlich gehaltenen Worten. Mehr als bloß Musik zu sein, darin besteht ja gerade die Faszination auch alter Schallplatten. (Otis, ca. 23 Euro)