Tinariwen – Aman Iman: Water Is Life

Zahlreiche Sahel- und Sahara-Regionen Afrikas beanspruchen gegenüber dem Westen die Wiege des Blues für sich, und so hängt man die Elogen über eine „Desert BIues“-Combo schon sehr hoch, um ihr Aufmerksamkeit zu garantieren. Das hätte die Tuareg-Band Tinariwen, die uns als „die Stones der Sahara“ angepriesen wird, wirklich nicht nötig- mehrfach führten sie die Weltmusikcharts an und sind mit Credits von Carlos Santana, Thom Yorke oder Robert Plant gesegnet; letzterer sieht in ihnen die Quellhüter der Fünftonskala.

Die Mitglieder der Urformation waren einst wütende Jugendliche, die von Dürre getrieben und von der malischen Regierung als Minderheit diskriminiert ins libysche Exil gingen, um sich in Ghaddafis Militärcamps als Widerstandskämpfer zu schulen. Kurioserweise kamen sie dort mit dem Rock-Sound des Westens in Berührung, maßgebliche Inspiration zur Herausformung ihres Sounds. Erfüllten ihre frühen Songs den Zweck von Rebellen-Propaganda, hatte das Paralleldasein von Gewehren und Gitarren nach dem Friedensschluss mit der malischen Regierung von 1992 ein Ende: Seitdem singen Tinariwen in wechselndem Bandgefüge von einer Kultur, die weitestgehend verloren ist, davon, wie sich einstige Nomaden mit der modernen Welt arrangieren können.

Kein Zweifel: Das Verschmelzen der afrikanischen Pentatonik mit den ruppig kreisenden, gehackt phrasierten, sich nie in virtuosem Selbstzweck zelebrierenden Leadgitarren ist ein Matchmaking par excellence und wirkt hier noch elementarer als beim Gespann Ah Farka Toure/Ry Cooder in den Neunzigern. Das liegt daran, dass auch auf dem dritten, in Malis Hauptstadt Bamako eingespielten Werk jegliche Redundanz im spröden Sound verdunstet wie ein Wassertropfen im heißen Wüstensand. Ein Kompliment an den Produzenten Justin Adams, der einem Drang nach Durchhörbarkeit widerstanden hat. Die schrillen Frauenchöre kreisen nach wie vor im Hinterhalt, die Brüchigkeit der männlichen Vokalisten in der kehligen Tamashek-Sprache wurde nie beschönigt, und auf eine erzwungene Variation von Tonarten hat man ebenfalls verzichtet. Für Abwechslung sorgt eher die ein oder andere galoppierende Perkussions-Spur, die die oftmals faszinierend lethargischen Rhythmusgitarren zu m Rock’n’Roll-Gestus anstachelt. Einflechtungen von rein akustischem Setting wirken da schon fast wie pure Poesie, wie ein ergriffenes Nachsinnen über die Schöpfung unterm kristallklaren Sternenhimmel.

Ob die blauen Ritter der Wüste nun Urahnen des Blues sind oder nicht, der Hybrid aus Rock und Sahel-Roots rührt auf jeden Fall an tiefere Schichten der Seele.

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