Tödliche Verbrechen :: David Cronenberg (Start 27.12.)

Es könnte eine Trilogie werden über Gewalt und die dunklen Seiten hinter der bürgerlichen Fassade. Nach „A History Of Violence“ hat David Cronenberg wieder mit Viggo Mortensen eine düstere Ballade gedreht, in der Brutalität und Tod unvermittelt über einen hereinbrechen. Reichlich Blut fließt allerdings nur am Anfang und am Ende. Zwischen diesen Polen erzeugt Cronenberg ununterbrochen eine unterschwellige Spannung, aufgeladen mit bösen Ahnungen, falschen Freundlichkeiten und enttäuschten Hoffnungen.

Gleich in den ersten Szenen schocken zwei Todesfälle: In einer Londoner Friseurstube wird einem Mann mit einer Rasierklinge die Kehle aufgeschlitzt, parallel stirbt ein unbekanntes junges Mädchen im Krankenhaus bei einer Frühgeburt. In deren Tagebuch hofft Hebamme Anna (Naomi Watts) einen Hinweis auf Familie oder Freunde zu entdecken, doch es ist auf Russisch verfasst. Einziger Anhaltspunkt ist die Visitenkarte des transsibirschen Restaurants von Semyon (Armin Mueller-Stahl). Der weiß nichts über die Tote, bietet sich aber an, das Tagebuch zu übersetzen. Das Mädchen, erst 14 Jahre alt, wurde von Menschenhändlern nach London gelockt, unter Drogen gesetzt und zur Prostitution gezwungen. Anna ist an die Russenmafia geraten.

Cronenberg und Autor Steve Knight („Dirty Pretty Things“) machen daraus nicht lange ein Geheimnis. Und Anna ist nur die Betrachterin, das Schlüsselloch für diese Welt, ihre Regeln und Rituale. Schnell wird auch klar, dass Semyons ebenso labiler wie unberechenbarer Sohn Kirill (Vincent Cassel) den Mord in Auftrag gab und wer Vater des Babys ist. Die Konflikte und Folgen daraus aber hält Cronenberg mit atmosphärischer Brillanz bis zum Schluss vage.

Mueller-Stahl agiert als Patriarch, der Geige übt mit kleinen Mädchen und Geburtstagsfeste für alte Damen ausrichtet, mit liebenswürdiger Strenge. Cassel übernimmt den impulsiven Part, während die Rolle von Mortensen als Leibwächter und Chauffeur Nikolai die Ungewisse Größe bleibt. Sein Nikolai ist nicht unsympathisch. Er wirkt maskenhaft kalt, kann aber auch charmant sein — und im nächsten Augenblick äußerst bedrohlich. Der Ausputzer wird zur entscheidenden Figur in diesem Spiel um Loyalität, Macht und Rache, das Cronenberg in nur 96 Minuten packend und dicht inszeniert. Ihm gehört auch einer der denkwürdigsten Auftritte der Kinogeschichte, wenn er nackt und hilflos in einer Sauna von zwei tschetschenischen Killern mit Messern attackiert wird. Die Härte und der Realismus bei diesem geradezu langsamen, von Stöhnen und Zucken begleitetem Blutbad gehen unter die Haut, als stünde man zitternd daneben. Es ist ein erschreckend konsequentes Statement über Gewalt in der menschlichen Natur. Und Cronenberg ist längst mehr als ein Horror-Regisseur.

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