Tony lommi – Iommi

Zu den unvergesslichen Momenten musikalischer Sozialisation, die einen plötzlich gewahr werden lassen, dass man kein Kind mehr ist, zählt bei mir jener, an dem ich Tony Iommis langes Gitarrensolo auf dem Black Sabbath-Doppelalbum „Live Evil“ erstmals zu hören bekam. Eine ernüchternde Gewissheit schien auf einmal so hell und klar hinter meinem faltenlosen Antlitz aufzublitzen wie die ersten Sonnenstrahlen an einem Spätsommertag, der schön zu werden verspricht, aber gegen Abend doch schon eine leichte Windjacke erfordert: Der Mann hat ja gar keine Technik, linke und rechte Hand stehen vielmehr in einem gewissen Konkurrenzverhältnis zueinander, wie Hase und Igel im Märchen!

So war das, und es dauerte einige Jahre, bis ich Iommis Spiel, diesem Gemisch aus manuellem Ungeschick, grandioser Selbstüberschätzung, aber doch auch einem Funken Inspiration, wieder ästhetischen Genuss abgewinnen konnte. Gewissermaßen von einer höheren Warte aus. Aber, so viel steht fest, ein ungeteilter Genuss war das nie mehr…

Auf dem neuen Album gibt er sich solistisch zurückhaltend, nachgerade demütig, kompositorisch freilich so großkotzig wie eh und je. Ein Riff-Architekt, der sich auf Kathedralen und andere sakrale Prunkbauten spezialisiert hat, für deren Vokalisierung diesmal aber gleich einen ganzen Sack voll Prediger engagiert: Ozzy Osbourne, Billy Idol, Henry Rollins, Billy Corgan, Ian Astbury, Skin – um erstmal nur die namhafteren zu nennen. Der Vergleich mit Santanas „Supernatural“-Album, für das ja lange Meter „Youngsters“ verpflichtet wurden, um auch an die Spargroschen der Post-Woodstock-Generationen heranzukommen, liegt auf der Hand – und doch auch wieder nicht. Denn das sind ja zumeist gestandene, bisweilen sogar alte Damen und Herren, die Iommi hier unterstützen sollen. Und während Santana sich bei seinen Kollaborationen zumindest partiell moderneren Stilen öffnete und ein bisschen Fusion betrieb, drückt die überproportionierte gotische Gitarre des schwarzen Mannes alles an die Wand, erstickt jeden Modernismus im Keim. Schön anzuhören etwa bei „Goodbye Lament“ (mit Foo Fighter Dave Grohl), wo sich ÄGroove mausig machen will, bis dann aber doch wieder der Akkord-Elefant aufwacht, aufsteht und ihn mit einem einzigen Tritt zerquetscht Bon!

Wenn Iommi doch einmal einen Grenzgang versucht, beim Hardcore-Experiment „Laughing Man (In The Devil Mask)“ mit Henry Rollins zum Beispiel, geht das gleich in die Hose. Man will es dem Song fast anhören, wie sich der angesichts seines Drecksounds geekelt hat. Sehr viel gelungener wirkt da die Kooperation mit Skunk Anansies Skin, deren weibliche Exzentrik und stimmliche Vitalität einen schönen Kontrast ergeben zur schwer moribunden Gitarre. Und auch Panteras Phil Anselmo schreit sich blutig gegen diesen orcheströsen Pessimismus: „Time Is Mine“!

Tja, und der Rest ist dann halt wie auf jeder anderen beliebigen Black Sabbath-Platte.

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