Tori Arnos – The Beekeeper
Erster Eindruck? Herrlich! Tori Arnos bleibt auf der Fährte, die schon der Vorgänger „Scarlet’s Walk“ eingeschlagen hatte, und veröffentlicht noch ein Album, das man einfach so hören kann. Ich meine, ohne gleich an süße, kleine Ferkel an salzigen, großen Nippeln zu denken (zum Beispiel). Ohne sich durch diverse Schichten kryptischer Verstiegenheiten kämpfen zu müssen. Haben wir uns das nicht immer von ihr gewünscht? Tori, sprich über, mit und zu uns, aber nicht nur mittels Rauchzeichen, in Rätseln oder mit gespaltener Zunge.
Zweiter Eindruck? Digital ist doch nicht besser! Weil das CD-Format in der Regel zu Ausschweifung und Redundanz verführt, welche die klassische Doppelalbum-Struktur noch ansatzweise hätte mildern können. „The Beekeeper“ ist nicht die Ausnahme. Ich meine: 20 Songs! Knapp 80 Minuten am Stück! Was immerhin schon mal für die kompakte Prägnanz der einzelnen Songs spricht Doch während ein gutes Fußballspiel da zuweilen erst richtig gut wird, geht Tori Arnos hier bereits kurz nach der Halbzeit ein wenig die Luft aus. Und wie könnte es anders sein? Das führt dann aber leider auch dazu, dass für einige besonders hübsche Kabinettstückchen in der zweiten Hälfte womöglich schon die nötige Aufmerksamkeit fehlt Und das ist schade, etwa für das bittere „Hoochie Woman“, mit dem die Arnos die cheatin‘-Tradition des Blues reanimiert, die formal auch an anderer Stelle gelegentlich Inspiration ist für sie. „Ireland“ ist eine schöne Sentimentalität, wie man sie bisher nicht von dieser Frau gehört hat, „Toast“ ein Piano-Farewell. wie es nur Arnos schreibt und obendrein eine reizende kleine Hommage an Jerry Jeff Walker und seinen Mr. Bojangles. Das verspielte „Cars And Guitars“, mit dem bemerkenswerten und so Amos-typischen Intro-Couplet „If I choke/ Boy you Start me up again“, belehnt Prefab Sprout und… mal ehrlich: Klingt nicht „this gearbox can make the shift polish my rims“ fest wie eine verschollene Zeile aus einer frühen Rohfassung von ,Born To Run“?
Doch zuvor verliert sich Tori Arnos leider etwas, in gar nicht schlechten Stücken wie „Barons Of Suburbia“ und „Ribbons Undone“, die als vermeidbare Längen erscheinen. Und Songs wie „Witness“, das sich schon im Titel um zu viel Soul-Gospel-Konvention bemüht, braucht man von dieser Frau überhaupt nicht. Auch ihre Neo-Soul-Annäherungsversuche lassen Arnos gewöhnlicher erscheinen, ab sie nach wie vor ist, wenngleich „Sweet The Sting“ eben der gewisse Stachel nicht abzusprechen ist Doch womöglich ist das einfach der Preis, der fürs einfach so hären zu zahlen ist, für ein Album ohne große Umwege und Elfenbeinturmereien auch musikalischer Natur, Piano-zentriert, R&B-rhythmisiert. Solange Amos andererseits ganz bezaubernd und im Duett mit Damien Rice „The Power Of Orange Knickers“ beschwört und die Alternative zwischen Pillen und Küssen; solange sie auch der oder dem Lebensmüden in „Parasol“ so klar und schön die Lebensmüdigkeit lässt, bezahlen wir diesen Preis gern. Und dann das Ding im „Jamaica Inn“. „The sexiest thing is trust“, singt Tori Amos. Für solche Zeilen brauchen wir sie. Immer noch.