Townes Van Zandt :: Highway Kind

Der Nachlaß, erster Teil. Townes Van Zandts allerletzte Aufnahmen, wenige Tage vor seinem Tod mit diversen Sonic-Jugendlichen in Memphis auf Band gebannt, werden wohl kaum veröffentlicht werden, zumindest nicht vorläufig. Da nur vier oder fünf Vocal Tracks fertiggestellt wurden und der Auftraggeber der Sessions, Geffen Records, unterhalb der Schwelle eines kompletten, ausproduzierten Albums gar nicht erst in die Gänge kommt, wird Van Zandts Unvollendete entweder so in die Annalen eingehen oder irgendwann in ferner Zukunft als Teil einer Compilation schmerzlich in Erinnerung zurückrufen, daß sein fortschreitender körperlicher Verfall keineswegs Geist und Seele angegriffen hatte. Wahr ist, daß das nahende Ende ungeahnte Reserven mobilisierte und sich Townes eine Selbstdisziplin auferlegte, die einen jungen, gesunden Mann gefordert hätte. Ende letzten Jahres entstanden in einem kleinen Studio in Austin so noch einmal krude, beklemmende Versionen einiger seiner bester Songs, die oft intensiver noch sind als die vertrauten Originale. So weit die Vorschau auf künftige Nachlaßverwertungen.

Die Tracks auf „Highway Kind“ sind also mitnichten ein letztes Vermächtnis. Live im Studio, in Wohnzimmern und vor Publikum aufgenommen und ohne schlüssiges Konzept zusammengestellt, bieten sie nichtsdestotrotz einen Repertoire-Querschnitt, der sich von den zahlreichen bekannten substantiell unterscheidet. Townes-Fans werden eh eintauchen und nicht so schnell wieder luftholen, doch auch für den Uninitiierten ist hier genug Stoff, um zum Tagträumer zu werden und nachts keinen Schlaf zu finden.

Die beißenden, spöttischen, bitteren, immer beunruhigenden Songs finden in Townes‘ letzthin fragiler und nicht selten torkelnder Stimmlage eine merkwürdige, morbide Korrespondenz, die den Inhalt eher vertieft als verschleiert. Jener Teil seines Publikum, der eine konzentrierte Performance erwartete, beherzten Gesang und beherrschtes Picking einforderte, lag ohnehin falsch, verstand nicht, worum es in dieser Lyrik geht, die den Vortrag transzendiert und nicht angewiesen ist auf die Tagesform des Verfassers. Und so hat die bleierne Ödnis und das barmende Verlangen des Titelsongs gerade hier eine Heimat, uneben und karg. Und „The Hole“, dieser Seelentrip in die ewige Finsternis, der nur in Leonard Cohens „Dress Rehearsal Rag“ seinesgleichen hat, ist hier schwärzer noch und auswegloser als die über Gebühr arrangierte Studiofassung.

Nicht alles auf „Highway Kind“ geht so nahe. „Banks Of The Ohio“, ein Traditional, das Townes zeit seines Lebens liebte, wird hier von ihm launisch veralbert und andere Van Zandt-Favoriten wie Jilaze’s Blues“ kennt man inniger, bestimmter. Auf „At My Window“ darf ein gewisser Kurt Ostbahn, ein in Österreich bekannter Mundart-Rocker, so hat man mich aufgeklärt, einen Vers im Austria-Dialekt beisteuern. Bizarr, to put it mildly. Erinnert mich an Doug Salim, der mit neulich in Austin, Texas über den Weg lief und in seiner heiseren Überschwenglichkeit von einem Coup zu berichten wußte, der seine Karriere „in good old Germany“ mächtig in Schwung bringen würde. Der aktuelle Radio-Hit von seinen Texas Tornados werde von keinem geringeren gecovert, so der gute Doug stolz, als von Wolfgang Petry, „your greatest rockstar“. Tntth is stranger than fiction. Doch ich schweife ab.

Das Rückgrat von „Highway Kind“ bilden drei Country-Classics aus den 40er Jahren, die der Feder von Townes entsprungen sein könnten und belegen, wie ungebrochen er die Tradition seiner Vorbilder fortgesetzt hat: „Wreck On The Highway“, jener Whiskey-und-Blut-Tearjerker, den einst Roy Acuff geheult hatte, Hank Williams‘ „Lonesome Whistle“ und Leon Paynes „Lost Highway“, mit dem das Album eröffnet: „I’m a rollin‘ stone, all alone and lost/ For a life of sin, I’ve paid the cost.“ Eine fremde Erkenntnis, die Townes nach Kräften mit Leben füllte und zur ureigenen machte, nicht ohne Reue, aber ohne Larmoyanz, und die er schließlich für „Still Lookin‘ For You“ in eigene Worte goß: „There ain’t much that I ain’t tried/ Fast living, slow suicide.“

Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates