TV On The Radio :: Nine Types Of Light

Unter der Sonne Kaliforniens hat die beste Band aus Brooklyn Licht und Liebe eingefangen.

TV On The Radio sind – wie jede gute Band – mehr als die Summe ihrer einzelnen Teile. Das weiß man spätestens seit den musikalischen Alleingängen von Sänger Kyp Malone als Rain Machine und Superproduzent David Sitek als Maximum Balloon. Schöne Platten – aber sicher keine Zauberei.

Groß daher die Freude, als die Band Ende Februar dieses Jahres ein neues Album ankündigte. Man war gespannt, wo es nach dem megalomanischen Klangrausch von „Dear Science“, der das Gesamtwerk von Prince quasi auf die Körpergröße seines Schöpfers zusammenschnurren ließ, überhaupt noch hingehen sollte. Die Antwort ist eigentlich ganz einfach: dorthin, wo die (amerikanischen) Träume sind, westwärts bis an die final frontier – nach Kalifornien also. Dort, in einem Haus, das Sitek vor drei Jahren anmietete, entstanden große Teile von „Nine Types Of Light“.

Ein paar Tausend Meilen entfernt von all den Musikern, die sich im Popuniversum von Brooklyn drehen, war die Band quasi auf sich allein gestellt, ging unter der kalifornischen Sonne in Klausur. Aha, aha, sagt jetzt der mit den Produktionsstrategien des Pop Vertraute: Nach der entgrenzten Kifferorgie folgt die Nüchternheit, Reduktion auf das Wesentliche – die Freundschaft, akustische Gitarren und Klanghölzchen. Nun ja, so nun auch wieder nicht.

Der Sound ist ein bisschen schlanker geworden, das schon. Die Stücke haben mehr Platz, sich zu entwickeln, sich zu winden und auszubreiten. Eine flirrende Psychedelik liegt in der Luft und ein bisschen Disco. Manchmal reichen zu Beginn eines Stücks ein vertrackter Rhythmus und eine spröde Gitarre, dann erledigen die Stimmen von Kyp Malone und Tunde Adebimpe den Rest – schütten süße Harmonien, zittrige Poeme oder treibende Rhymes auf die Tracks, und schon hat man das Gefühl, im siebten Pophimmel zu sein. Kyp Malone nimmt den Faden vom besten Stück des letzten Albums, „Lover’s Day“, auf und spinnt daraus mit Polizeisirenen und Elektrowetterleuchten das innige Liebeslied „Keep Your Heart“, Adebimpe schmachtet zu einem New-Wave-Gitarrenmotiv und britzelnder Elektronik „You’re the only one I ever loved“, 80s-Synthesizer dudeln verliebt, ein George-Harrison-Solo setzt ein, das lovesick lullaby „Will Do“ zerreißt einem fast das Herz, so sehr zerren die Gitarren und Adebimpes Falsettgesang daran. Es scheint, als hätten TV On The Radio das kalifornische Licht eingefangen.

Die Stücke sind dünnhäutiger, transparenter, als man das bisher von ihnen kannte, und genau das macht sie noch viel geheimnisvoller – eigentlich hören wir nur eine simple Synthesizer-Melodie mit einem einfachen Beat – warum macht einen das so kirre? Weil David Sitek eben doch ein genialischer Zauberer ist. Ganz große Disco, wenn er aus wenigen Zutaten ein Gitarren/Bläser-Post-Punk-Gewitter zusammenbraut und Kyp Malone wild durch Blitz und Donner tanzt – „Don’t stop/ Do the no-future, do the no-future“ -, bis sich das Unwetter verzieht und unter verhalltem Georgel und Geklimper ein Regenbogen entsteht. Noch besser: Adebimpes stupides „Repetition“ und das wuchtige „Caffeinated Consciousness“, das klingt, als hätten sie Led Zeppelin und Rage Against The Machine in einen Marvin-Gaye-Song gesperrt. TV On The Radio haben traumwandlerisch wieder alle Grenzen überschritten. (Interscope/Universal)

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