Vampire Weekend

Modern Vampires Of The City

Beggars

Im Video zum neuen Vampire-Weekend-Song „Diane Young“ brennt ein Saab. Könnte auf den ers­ten Blick eine Ghetto-Geste sein. Aber dazu singt ein Mann mit dem ziemlich weißen, ziemlich jüdischen Saab-Fahrer-Namen Ezra Koenig zu Beat-Box-Getöse und Dick-Dale-Gitarren in einer Art Shakin’-Stevens-Stimme das herrliche Couplet „Irish and proud baby naturally/ But you got the luck of a Kennedy“. Wenn Vampire Weekend HipHop belehnen, bleiben sie ihrem Milieu treu. Nicht umsonst wurde ihre Musik oft mit den Filmen von Wes Anderson verglichen, der in den Spleens der gehobenen weißen Mittelklasse Witz und Poesie fand. Ihre Songs handeln von reichen Töchtern und Diplomatensöhnen, Oxford und Cambridge, Louis Vuitton und Peter Gabriel, Horchata und Aranciata. Das Leben ist in „Diane Young“ keine bitch, sondern ein Golfturnier, und der Songtitel klingt gesungen wie „dying young“ – jung sterben wie in „Harold and Maude“, nicht Tupac Shakur. Diese Homophonie setzt auch das Thema für „Modern Vampires Of The City“: die Sterblichkeit und die beiden Konzepte, die so etwas wie einen Ausweg in die Ewigkeit versprechen – die Religion und die romantische Liebe.

„See you next year in Jerusalem“, verabschiedet sich Koenig an einer Stelle und meint nicht die Metropole der drei Weltreligionen, sondern den gleichnamigen Falafel-Laden am Broadway zwischen 103rd und 104th Street. Dort, so erzählt er, hat sich ein orthodox-jüdisches Mädchen in einen der (vermutlich muslimischen) Jungs am Tresen verliebt. Das große tragische Welttheater spielt eben auch an der Upper West Side.  

„Modern Vampires Of The City“ ersteht zu quietschenden Bettfedern und Peanuts-Piano. Ezra Koenig verschlafen vom roten Sonnenaufgang „the early day still flickers in your eyes“. In dieser fantastischen Eröffnung titels „Obvious Biycycle“  klingt er noch unschuldig wie ein 50s-Crooner, später wird seine Stimme vom Vocoder verzerrt werden, sich überschlagen und brechen. Dazu zitiert sich die Band durch die Musikgeschichte: Man hört den Shuffle-Rhythmus von Buddy Hollys „Peggy Lee“ und (mutmaßlich) die Flöten aus Celine Dions „My Heart Will Go On“ („Unbelievers“), den West-Coast-HipHop von Souls Of Mischief („Step“), Barock-Pop („Don’t Lie“), R&B („Everlasting Arms“), Elvis-Costello-Power-Pop („Finger Back“), Gospel und Boney M („Worship You“). Nichts davon klingt natürlich wie die Vorbilder, alles klingt wie Vampire Weekend. Man hat diese wundervolle Band wegen ihres Umgangs mit schwarzen und weißen Musiktraditionen schon mit den Talking Heads verglichen, doch während die nervös, kompliziert und ungesund bleich waren, sind Vampire Weekend lässig, verspielt und vornehm blass. In „Ya Hey“ ziehen sie den Outkast-Überhit auf links, und aus dem selbstverliebten Lover wird ein Zweifler: Zion wird dich nicht lieben und erst recht nicht Babylon, nicht dein Vater- und nicht dein Mutterland, singt Koenig, und der Tag reist in die Nacht – „my soul swooned as I faintly heard the sound of you spinning ,Isrealites‘ into ,19th Nervous Breakdown‘“. Und dann eröffnet der Choral „Hudson“ das Tor zur Ewigkeit: „The time has come/ The clock is such a drag/ Oh, you who change your stripes/ Can wrap me in the flag.“ Doch das ist nicht das Ende. „You take your time/ Young lion“, chorknäbelt Koenig in einer hübschen Coda, die klingt wie von Wes-Anderson-Komponist Mark Mothersbaugh ausgedacht. Er hat Zeit, denn er weiß: Vampire sind unsterblich.