Van Morrison – Astral Weeks – Live At The Hollywood Bowl

Die Reprise des Jahrhundertwerks (mit zwei zusätzlichen Songs)

Jenem Bewusstseinsstrom, der an zwei Tagen des Jahres 1968 in die Aufnahmen zu „Astral Weeks“ floss, scheint etwas Transzendentales, ja Astrales zu eignen – niemand traute sich je an eine kohärente Interpretation des Wunderwerks heran, das Van Morrison als 23-Jähriger mit ein paar Musikern realisierte, denen er bloß ungefähre Anweisungen gab. Seither gehört die Platte zum engsten Kanon der Rockmusik, ohne überhaupt Rockmusik zu sein. Die Notwendigkeit einer neuen Version der beseelten Vision eines elysischen Zustandes zwischen Kindheitserinnerungen, ekstatischen Beschwörungen und elementaren Anrufungen ist etwa so dringlich wie ein Duett Van Morrisons mit Katy Perry. Brian Wilson rekapitulierte „Per Sounds“, David Bowie wiederholte „Low“, Sonic Youth zersägten nochmals „Daydream Ration“: eine Unart, allzumal für den reproduktionsfeindlichen Morrison.

Doch der Alte spielte im vergangenen Herbst tatsächlich diese unantastbaren Lieder – nicht in Belfast oder wenigstens in Dublin, sondern in der Hollywood Bowl: eine Volte, die zu seinem grimmigem Witz passt. Nun glaubte man durchaus nicht, dass sein seit Jahren bollernder Gesang die Lautmalereien, das Wimmern und Summen, das Barmen und Betteln bewältigen könnte, das sich manchmal in beinahe komisches Insistieren und Wiederholen verstrickt: „Gotta stop this thing…“ Akustische Gitarren, Vibrafon und Flöte steigern sich bei „Astral Weeks“ zu einer Art kosmischem Folk-Jazz.

Aber ja, die Stimme kann, sie kann reifer und kräftiger und tiefer durch „Sweet Thing“ pflügen, und die Streicher hyperventilieren, und in der „Cyprus Avenue“ wurzelt alles Heimweh, alle Liebe, aller Schmerz, und „Madame George“ verspricht die Enthüllung aller Geheimnisse, und der Sommer ist die richtige Zeit für dieses Geheimwissen: „The Way Young Lovers Do“ (mit Bläser-Arrangement). Es ist eine in schönster Weise unglaubliche Platte, eine Nachempfindung im Abstand von 40 Jahren, eine magische Evokation. Was es für eine Inspiration braucht, um das Genialische noch einmal aufleben zu lassen!

Vielleicht wird man die beiden Versionen vergleichen mit Glenn Goulds erster und zweiter Einspielung der „Goldberg-Variationen“. Ich gebe der zweiten den Vorzug.

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