Van Morrison – Tupelo Honey :: Sieben Remaster-Editionen als Auftakt einer (Fast-)Gesamt-Reihe

Ältere werden sich daran erinnern, dass es schon einmal eine „Remaster Senes“ mit den Alben des irischen Wutkoptes, Gottsuchers, Sensualisten. Eigenbrötlers und Genies gab.Die neue Reihe, in vier Tranchen aufgeteilt, enthält indes einige Bonus-Tracks—allenfalls zwei, drei Stücke je Album, meistens Alternative Takes. Dass etwa „Avahm Sunset“ glänzender klingt als auf der CD der ersten Generation von 1989, wird auch das ungeübte Ohr hören können. Und auch die frühesten Platten, „Tupelo Honey“ (1971) und „It’s Too Late To Stop Now…“ (1974), klingen ganz wunderbar. Von der magischen Musik ganz zu schweigen!

Das Schweigen ist der Abgrund, dem Van Morrisons Musik abgerungen ist. Vordergründig eloquent, umkreist er manisch, brütend, ekstatisch, zornig die Erinnerung an die Kindheit und den Stand der Unschuld, die Mysterien der Liebe und der Sinnlichkeit. Morrison erzählt fast niemals Geschichten, seine Songs fügen sich keiner narrativen Logik — sie sind Poeme, Hymnen, Gesänge. Die musikalische Ausdruckskraft dieses Schamanen übertrifft die all seiner Zeitgenossen, auch der vornehmsten.

In der Beschwörung weniger gleichsam skaraler Begriffe — Hyndford Street, jelly roll, healing, wild, back, mystic – liegt Morrisons einzigartige Kunst der Anrufung. Sein im Konzert gewispertes „Can you hear the silence?“ (variiert etwa in dem Song „Listen To The Lion“) steht für die Entgrenzung und Versenkung einer Musik, die sich gegen Vereinnahmung und Vermarktungsperrt. Seit den frühen Tagen seiner Karriere und üblen Erfahrungen wütet Morrison (auch in zahlreichen Songs) gegen Profitstreben, Ausbeutung und den Journalismus -von dem er wie ein Naturmensch glaubt, dass er ihm seine Seele rauben wolle (was natürlich stimmt, obwohl ihn seit 40 Jahren beinahe alle Kritiker bewundern und seine Platten zeitweise sehr profitabel waren).

Von den vielen großartigen Platten liegen jetzt einige der famosesten vor. Morrison besitzt nicht die Rechte an „Astral Weeks“ und „Moondance“ — so ist die heitere, ungewöhnlich lebensfrohe Pastorale „Tupelo Honey“ das erste Album in dieser Serie. Morrison war damals vom „Old, Old Woodtsock“ (das er hier besingt) an die Westküste gezogen, die Fotos zeigen ihn als langhaarigen Hippie mit seiner Freundin Janet Planet, mit der er allzu häuslich, ja isoliert lebte und die ihn bald verlassen sollte. Es bleiben diese fantastisch gespielten und inniggesungenen Oden an Leben und Liebe, oft mit Anklängen an Country-Musik, die Morrison ursprünglich im Sinn hatte.

„It’s Too Late To Stop Now…“ (* * * * *) ist einer der besten Live-Platten schlechthin, aufgenommen im Sommer 1973 mit dem Caledonia Soul Orchestra, das Morrison immerzu umbesetzte. Von Soul- und Blues-Standards wie „I Just Want To Make Love To You“ und „Bring It On Home To Me“ schraubt sich der Sänger mit entfesselten Bläsern und Streichern in die erschütternden Ekstasen von „St. Dominic’s Preview“, „Caravan“ und „Cyprus Avenue“. Das einst absichtlich gestrichene „Brown Eyed Girl“ wurde ergänzt.

„Wavelength (* * * 1/2)brachte Morrison 1978 heraus, eine für seine Verhältnisse sehr bodenständige Platte, die offenkundig von der kalifornischen Lebensart geprägt ist. Nur ein Jahr später öffnete sich auf „Into The Music“ (* * * * *) ein Universum an Ei’innerungen und Klängen, an Bildern und Visionen, die sogar innerhalb dieses Werks unvergleichlich sind. Der Sänger tanzt und schwebt über R&B, Jazz und irischen Balladen und krönt so erhebende Songs wie „Bright Side Of The Road“ und „Steppin Out Queen„, „You Make Me Feel So Free* und Angelou“ mit dem inbrünstigen „And The Heahng Has Begun“. „A Sense Of Wonder“ (1984, * * * *) enthält einige herrlich leichte Folk-Instrumentals, aber auch die verstiegene Rezitation „The Price Of Experience“ und den harten R&B „If You Only Knew“. Aufseiner Sinnsuche war Morrison bei L. Ron Hubbard angekommen, der auf „Avalon Sunset“ (1989, * * * *) durch den guten alten Gott ersetzt wurde. Dessen Apostel Cliff Richard, ein Held aus Vans Jugend, singt bei“.Whenever God Shines His Light“ – aber es ist das kleine Rezitativ „Coney Island“, das unvergesslich bleibt, gewürdigt in Peter Handkes .Versuch über den geglückten Tag“: „Wouldn’t it be great if it would be like this all the time?“

Ist eben nicht möglich. Nach den Irrungen der 90er Jahre wähnte sich Morrison 1999 “ Back On Top“ (* * *), doch das Album ist eher ein musikalisch biederes Resümee mit Jahreszeit-Beschwörungen (meistens ist Herbst in den Liedern). Listen to the lion.

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