VINYL

Ray Charles Ray Charles ****

Was der Pianist, Saxofonist, Sänger, Songwriter, Arrangeur und Bandleader für sein erstes Album 1957 aufbot, war beachtlich, aber weitgehend bekannt. Die Hälfte der LP rekrutierte sich -den Usancen jener Zeit entsprechend -aus Hits der Vorjahre wie „Mess Around“, „Drown In My Own Tears“ oder „Hallelujah I Love Her So“. Dennoch war Charles erst Mitte 20, und bei Atlantic hielt man große Stücke auf ihn. Das LP-Format sollte ihm über die Südstaaten hinaus Geltung verschaffen, ihn aus dem Blues-und Gospel-Ghetto befreien und auch für Country-Hörer goutierbar machen. Seine Songs waren dafür prädestiniert, die Texte zumal, deren Lug-und-Trug-Anklagen und Triebe-ohne-Liebe-Selbstanklagen fest in der Country-Tradition standen. „Losing Hand“ schreibt Hanks „You Win Again“ fort, so manche Zeile hätte auch von Lefty sein können. Ein Eindruck, der sich noch dadurch verstärkt, dass Ray Charles als junger Mann noch eine glatte, geschmeidige Gesangsstimme sein Eigen nannte, fern aller gutturalen Raspeligkeit. Über die dem Mastering zugrunde liegenden Quellen lässt sich das Label nicht aus, was für gewöhnlich heißt: Hier wurde digital gepfuscht. (Doxy)

Frank Sinatra No One Cares ****1/2

Über jeden Zweifel erhaben sind die Quellen, derer man sich im Mobile Fidelity Sound Lab bedient. „First and foremost, our releases only utilize original masters as source material“, stellt das audiophile Label auf seinen Inner Sleeves klar, und geht dort auch ins Detail bezüglich der Sorgfalt, die man beim Fertigungsprozess walten lässt. Das hat natürlich seinen Preis: 30 Euro aufwärts sind für LPs solcher Qualität zu berappen, doch ist der erstandene klangliche Mehrwert unbezahlbar. Wie sich da die Töne aus der Stille schälen und nuancenreich entfalten, macht die Musik ganz neu erfahrbar. Von Frank Sinatra sind bislang ein halbes Dutzend Capitol-Releases in dieser limitierten und mit Goldprägedruck nummerierten Reihe erschienen, darunter mit „No One Cares“ von 1959 eines der dunkelsten Werke des Vokalstilisten. Als „suicide songs“ soll Ol‘ Blue Eyes die hier versammelten Balladen charakterisiert haben, wobei „Stormy Weather“ oder „I’ll Never Smile Again“ eigentlich erst durch sein weltverdrossenes Timbre und die dräuenden Streicher einen Drall ins Morbide bekommen. Exzellentes Album, exquisit wiederveröffentlicht. Somebody cares.(Capitol/MFSL)

Skip James Greatest Of The Delta Blues Singers ****

Nehemiah „Skip“ James teilte das Schicksal etlicher Blues-Pioniere, die Ende der 20er-oder Anfang der 30er-Jahre populär waren, in Zeiten der Depression und in den darauffolgenden Dekaden jedoch musikfremder Arbeit nachgehen mussten, in der Versenkung verschwanden und erst im Zuge des Blues-Booms wiederentdeckt wurden. Für James kam das Aus, als Paramount 1932 bankrott ging. „I got so case-hardened and discouraged“, berichtete er später, „I just gave up, quit playin‘ altogether.“ Seine leider nur kurzlebige zweite Karriere verdankte Skip jungen weißen Blues-Enthuasiasten um John Fahey, die den Schwerkranken 1964 nach langer Suche in einem Hospital ausfindig machten. Mit schwindender Kraft, aber seelisch ungebrochen nahm er Songs auf, die „Sick Bed Blues“ heißen oder „Washington D.C. Hospital Center Blues“, die vom Siechtum handeln, aber auch von Rekonvaleszenz und Hoffnung. Die Fingerfertigkeit seiner jungen Jahre hatte er eingebüßt, doch ist sein Spiel nie schludrig oder fahrig, und es scheint, als hätte seine hohe, melodiöse Stimme noch an Ausdrucksfähigkeit gewonnen. Acht Tracks der Session erschienen 1965 auf Melodeon, dieses Reissue addiert zwei weitere, verändert die Farbe des Covers von braun zu grau, ist klanglich indes nicht zu beanstanden.(Sutro Park)

Little Feat Sailin‘ Shoes ****1/2

Lowell George hat etliche feine Songs komponiert, aber „Willin'“ war seine Eintrittskarte ins Pantheon der Songwriter. Eine Ode an von „weeds, whites and wine“ getriebene Trucker, die schon Little Feats erste LP geadelt hatte und nun zur zweiten 1972 abermals an den Start gebracht wurde, nicht wie vordem von Ry Cooders Bottleneck umgarnt, sondern von Sneaky Pete Kleinows Pedal Steel, aber wieder überwältigend in ihrer schlichten Wahrhaftigkeit jenseits aller Dave-Dudley-Romantik. Ansonsten wurden Little Feat ihrer Stellung als „missing link between The Band and The Rolling Stones„, so damals ein Kritiker, durchaus gerecht. „A Apolitical Blues“ oder „Got No Shadow“ hätte man sich auch auf „Exile“ vorstellen können, „Teenage Nervous Breakdown“ rast fast so halsbrecherisch wie „Rip This Joint“. Eine umwerfende Platte, in dieser Edition auch klanglich ein großes Vergnügen, da die Gebrüder Warner um den anspruchsvollen Kunden buhlen: „Cut from the original analog tapes“, verkündet man stolz, „packaging replicated to the finest detail, pressed with more care than ever.“ Na also, geht doch. (Warner Brothers)

Ramones Acid Eaters ***1/2

Die Brudders waren 1993 in keiner guten Verfassung mehr, ihr einst hibbeliger Punk war breitarschig geworden, doch investierten sie in diese Tribute-LP hörbar ein Menge Energie. Immerhin ging es um nicht weniger als ihre Lieblingssongs der Sixties, zumeist aus der psychedelischen Ecke, das musste fetzen. Tat es auch, etwa auf Covers der Seeds oder Troggs, auch „Substitute“ und „Surf City“ kommen gut weg, „When I Was Young“ fügt dem Animals-Original gar eine weitere Dimension hinzu. Andere Versionen funktionieren nicht so gut, vor allem die melodiestarken Lieder mittleren Tempos wie „Out Of Time“,“My Back Pages“ oder „Have You Ever Seen The Rain?“ sperren sich gegen den Zugriff allzu burschikoser Schmissigkeit. „We had a ball“, resümierte Joey die Sessions. Das glauben wir gern. (Let Them Eat Vinyl)

Selah Sue Rarities ***1/2

Die Vorbilder der belgischen Chanteuse heißen Erykah Badu, Lauryn Hill und M.I.A., ihre Musik kombiniert Elemente von Soul, HipHop und Reggae, und ihre Stimme ist tief und flirty, dringt unter die Haut. „Rarities“ ist eine Compilation aus hörenswerten Singles wie „Zanna“ und „Crazy Vibes“, zum Teil als Remix/Remodel, mit faszinierenden Resultaten, sofern nicht mit Dubstep-Beats überladen oder sonstwie überkandidelt. Letzteres trifft freilich nur auf wenige Cuts zu, die meisten Arrangements geben Selah Sues Gesang Raum zum Bezaubern und Becircen. „Fade Away“ geizt nicht mit Pop-Appeal, „Raggamuffin“ eröffnet mit Rap, bei „Break“ steht der Schönen nur eine Akustik-Gitarre zur Seite, das genügt. (Because)

***** inkommensurabel **** formidabel *** delektabel ** akzeptabel * miserabel

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